Die Neue Norm: „Drei Journalist*innen, zwei Rollstühle und eine Sehbehinderung: Die Journalist*innen Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raul Krauthausen sprechen über Behinderung, Inklusion und Gesellschaft.
Folge 23: „”Inklusive Welt: wie wir leben würden”“
Computerstimme:
Wir leben im Jahr 2500, Barrierefreiheit und Inklusion existieren nicht mehr als Begriffe. Es ist Normalzustand. Menschen, die eine Behinderung haben, werden nicht mehr behindert. Sie können teilhaben, wie alle anderen Menschen auch. Barrierefreiheit ist hergestellt. Inklusion in der Schule und auf dem Arbeitsmarkt funktioniert.
Jonas:
Herzlich willkommen zu Die Neue Norm, dem Podcast. Im Jahr 2500 – keine Barrieren mehr. Das klingt schon etwas utopisch und wir haben uns auch vorher schon gedacht, ob das nicht vielleicht etwas zu optimistisch ist. Wir gehen mit großen Schritten, beziehungsweise rollen vielleicht auf das Jahresende zu. Das ist ja auch so die Zeit, wo man ein bisschen in sich kehrt, etwas besinnlich ist und es sich gemütlich macht, sich vielleicht ein Tee einschüttet und sich einfach mal ein paar Sachen auch wünscht. Wir haben uns gedacht, bei Die neue Norm, wir wünschen uns einfach mal, wie eine Welt wäre ohne Barrieren. Wie würde die aussehen? Würden wir vielleicht einen anderen Job haben? Würden wir andere Hobbys haben? Und es geht jetzt nicht darum zu sagen, dass wir uns wünschen würden, dass wir keine Behinderung hätten, sondern wir möchten einfach mal dieses Gedankenspiel machen: Wie würde eine Welt aussehen, in der es keine Barrieren gibt? Dazu sprechen wir heute mit Judyta Smykowski und Raúl Krauthausen, der übrigens wieder da ist. Herzlich willkommen zurück!
Raúl:
Hallo.
Judyta:
Schön, dass du da bist, Raúl.
Jonas:
Mein Name ist Jonas Karpa.
Raúl:
Er ist zurück.
Jonas:
Er ist wieder da. Es ist alles gut, alles kommt ja wieder zurück. TV-Total, Geh aufs Ganze, Wetten, dass…, Raúl Krauthausen, um mal so ein paar Sachen zu nennen, die in diesem Jahr wiederkommen.
Judyta:
Die Urgesteine.
Jons:
Ja, ich hoffe, ihr habt es euch gemütlich gemacht. Ich habe mir, wie gesagt, hier gerade ein Teechen eingeschüttet. Ein paar Plätzchen stehen auch bei mir auf dem Tisch. Wir sitzen ja leider nicht zusammen an einem Ort, sonst würde ich euch etwas abgeben. Aber ich hoffe, euch geht es auch gut.
Raúl:
Frisch getestet.
Judyta:
Ja. Und ich bezweifle, dass du uns was abgeben würdest.
Raúl:
Selbst getestet, gesund geblieben.
Judyta:
Können wir ja noch einmal ausprobieren.
Jonas:
Das ist super. Ich meine… Hallo! Wir sind ja bei den Sozialhelden, natürlich geben wir etwas ab. Wenn ihr jetzt mal bei diesem Gedankenspiel mitmacht und euch mal vorstellt, wie eine Welt ohne Barrieren aussehen würde. Hättet ihr konkrete Vorstellungen, dass ihr anders leben, dass ihr einen anderen Job, andere Hobbys hättet, womit ihr euch tagtäglich beschäftigen würdet?
Judyta:
Ich möchte natürlich an dieser Stelle wieder über Schlösser und Burgen sprechen. Treue Hörer*innen werden wissen, warum ich das immer wieder ansprechen. Ich mag Schlösser und Burgen sehr sehr gerne, und ich würde sie einfach besuchen. Ich würde mit meinem Rollstuhl überall durchkommen. Ich würde alle Ebenen erleben können. Ich würde endlich wissen, wie diese Menschen damals gelebt und gewohnt haben. Und es wäre supertoll. Außerdem würde ich, glaube ich, wandern auf barrierefreien Wanderwegen durch die Berge, und ich würde auch gerne über Sushi-Restaurants reden, weil ich könnte dann ja irgendwie…entweder wäre mein Rollstuhl so ausgestattet, dass ich sozusagen an den Tresen hochkomme. Oder es gäbe vielleicht keine Barhocker mehr, oder es gäbe barrierefreie Barhocker, wer weiß es, und ich könnte dann in ein Sushi-Restaurant gehen. Und an diesem Laufband, an diesem Förderband könnte ich einfach Sushi zu mir nehmen. Und es wäre das Paradies auf Erden. Das ist mein Statement dazu.
Raúl:
Das würde ich auf jeden Fall. Also Schlösser und Burgen sind jetzt nicht so mein Ding. Wandern… nur wenn es W-Lan gibt.
Judyta:
Aber du musst doch rausgucken. Also nicht rausgucken… links und rechts gucken – doch nicht auf dein Handy!
Raúl:
Auch… auch… auch! Es geht immer um das auch. Und Sushi, da bin ich voll bei dir. Das ist wirklich etwas, was mir wirklich fehlt. Schon als Kind hat mir das gefehlt, dass man an diese Förderbänder im Rollstuhl so schlecht drankommt. Also wenn ihr jetzt im Jahr 2022/21 Sushi-Restaurants in Berlin kennt, wo die Förderbänder nicht so hoch sind, dann schreibt uns doch bitte eine E-Mail. Aber um deine Frage zu beantworten, Jonas, ich würde gern am ersten Tag, wo Barrierefreiheit hergestellt ist, würde ich mit meinem Elektrorollstuhl im Doppeldeckerbus oben in der ersten Reihe sitzen. Und ich würde es so hart abfeiern. Ich würde mit der 100er-Linie von der BVG in Berlin so mega upcruisen und mich jeden Tag mit Freunden dort treffen und wir würden uns einfach Berlin anschauen.
Jonas:
Das klingt super. Die 100er-Linie – für alle, die nicht in Berlin sind – das war früher mal so der Geheimtipp. Weil das die Buslinie ist, die eigentlich an allen Sehenswürdigkeiten vorbeifährt, ist es quasi so die günstige Stadtrundfahrt in dem Sinne. Heutzutage ist es aber auch, glaube ich, kein Geheimtipp mehr. Und bei dem Verkehrsaufkommen…
Raúl:
Es gibt jetzt noch die 200er- und die 300er-Linie, das sind alles so Touri-Linien. Und angeblich ist es unter Busfahrer*innen ein Privileg, wenn du sie fahren kannst und es darf nicht jeder sie fahren. Also das ist schon eine Art Beförderung.
Jonas:
Es darf auch nicht jede Person mit Behinderungen sie fahren, weil es einfach nicht geht, bisweilen…
Raúl:
Genau.
Jonas:
Also ich könnte mir das, was du gesagt hast, so unterwegs zu sein, das wäre auch so ein Traum. In dem Sinne, sich eigenständig, selbständig von A nach B zu bewegen und eben nicht irgendwie auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen zu sein. Also wenn es irgendwann mal selbstfahrende Autos, E-Mobilität gäbe, dass man sagen könnte: okay, ich habe irgendwie ein eigenes Gefährt, womit ich selbständig fahren könnte. Du steigst einfach ein, sagst wohin du willst. Und dann bewegt es sich an den Zielort, das wäre irgendwie cool. Die Frage, die ich mir aber auch gestellt habe ist: Würden wir in einem anderen Beruf arbeiten? Oder sogar: würden wir drei uns kennen, wenn es komplett auf der Welt Barrierefreiheit gäbe? Weil ich meine, wir haben ja so gesehen ja auch unsere Behinderung so ein bisschen zum Beruf gemacht. Und neben diesem Status, dass wir uns für Barrierefreiheit einsetzen, dass wir zusammenarbeiten und auch ja zusammen diesen Podcast hier machen… wenn es Barrierefreiheit gäbe überall, hätten wir dann auch was, worüber wir beruflich sprechen würden? Oder wären wir in einem ganz anderen Themengebiet unterwegs?
Judyta:
Also ich glaube, ich wäre so im Bereich Kulturjournalismus unterwegs. Und da würde ich jetzt Raúl Krauthausen nicht so verorten. Der hat sich ja schon das eine oder andere Mal als Kulturbanause so ein bisschen geoutet, muss man sagen. Also vielleicht würden wir uns gar nicht kennen, Raúl. Ich weiß nicht, wie es bei dir ist, Jonas.
Jonas:
Ja also ich glaube, der Journalismusbereich wäre trotzdem das, wo es hingegangen wäre. Das was ich auch schon mal häufiger auch hier im Podcast gesagt habe, dieses sich mit Behinderung auseinandersetzen, wenn man selber jetzt nicht betroffen ist und jetzt auch vielleicht nicht irgendwie etwas studiert hat oder eine Ausbildung gemacht hat, die in diese Richtung geht, dann kommt es relativ selten vor. Also ich habe ja angefangen Medienwissenschaften und Musikwissenschaften zu studieren, jetzt nicht mit dem Ziel, dann später journalistisch im Bereich Behinderung tätig zu sein. Also ich glaube, es wäre dann irgendwas anderes gewesen. Und genau wie es bei dir dann Thema wäre, okay, Journalismus, aber dann Kulturjournalismus, wäre es bei mir Radiojournalismus gewesen, und ich würde vielleicht irgendeine Morningshow hier in Berlin moderieren. Was auch immer. Und jetzt ist es so ein Zwischending geworden.
Raúl:
Wir wären alle anscheinend im Journalismus gelandet. Ich habe auch beim Radio immer arbeiten wollen, auch als Teenager schon und dann später auch beim Radio gearbeitet. Und da war das Thema Behinderung gar nicht so das Thema, das ist dann erst später gekommen. Als ich ungefähr 27 Jahre alt war, und da habe ich schon beim Radio gearbeitet, sodass ich wahrscheinlich beim Radio gewesen wäre, so oder so. Behindert oder nicht.
Jonas:
Wann kam der Punkt, wo du gesagt hast, okay, du hörst da auf und mach’s was mit der Thematik Behinderung?
Raúl:
Es gab in mir immer so dieses Engelchen und Teufelchen in meinem Kopf. Das Teufelchen, das gesagt hat, du musst nichts zum Thema Behinderung machen, nur weil du behindert bist. Mach genau das, was deine Freunde ohne Behinderung auch machen. Leb‘ dich aus und sammle Erfahrungen. Das steht dir genauso zu wie allen anderen. Und dann gab es aber auch das Engelchen in meinem Kopf, das gesagt hat, ja, kann ich verstehen, was das Teufelchen sagt, aber du bist nun mal behindert. Stell dich mal dem Thema, du hast doch sowieso manchmal das Gefühl, dass in der Öffentlichkeit total merkwürdig diskutiert wird. Nämlich von Nichtbehinderten definiert wird, was Inklusion ist oder was wirklich ist, was Behinderte dürfen und was nicht. Von Soziallotterien über Wohlfahrtsverbände. Alles von nichtbehinderten Menschen repräsentiert – dass du das immer schon komisch fandest. Und deswegen tu doch was dagegen. Und das war der Grund, warum ich dann ab dem Jahr 2007, da war ich dann 27 Jahre alt, mich auch mit meiner eigenen Behinderung mehr auseinandergesetzt habe, mehr als es medizinisch nötig war, sondern eben auch sozial. Und was heißt eigentlich behindertes Leben in Deutschland, in Europa, auf der Welt? Ich hatte bis zu dem Zeitpunkt kaum behinderte Freunde.
Judyta:
Ja, das ging mir auch so. Also ich hatte auch einen Schlüsselmoment einmal bei der Republica, dieser Netz-Konferenz in Berlin. Da war Leidmedien, also ein Projekt der Sozialheld*innen, wo wir uns ja viel um Sprache unterhalten und beschäftigen, wo es auch um Narrative geht im fiktionalen Bereich und da hattet ihr eine Podiumsdiskussion veranstaltet zu Erzählweisen im Fernsehen über Behinderung. Und das hatte ich mir angeguckt, und ich weiß noch, im Begleittext waren so viele Sachen wo ich gesagt habe: ja, ja, stimmt, stimmt, das geht mir auch so, dass ich beim Tatort manchmal denke: so, was soll das jetzt? Warum wird das so erzählt? Und das war so ein Schlüsselmoment, wo ich euch dann da auch getroffen habe, als Journalismus-Studentin und euch auch interviewt habe. So haben wir uns kennengelernt damals, Raúl, das ist echt schon lange her.
Raúl:
Ich erinnere mich sogar.
Judyta:
Ich glaube, zehn Jahr oder so. Oh mein Gott. Und es brauchte jemanden, der das ausspricht. Es brauchte dieses Programmheft, wo ich dann lesen konnte so: ach, stimmt, diese Gedanken hatte ich die ganze Zeit. Aber jetzt stehen die da schwarz auf weiß und ja, es war super wichtig. Aber zurück zur Frage: Ich glaube auch, dass ich etwas anderes gemacht hätte, das Behinderung jetzt nicht ein großer Teil gewesen wäre, weil er wäre dann ja auch nicht nötig. Also zurück zur Utopie. Wir hätten ja dann nicht nur Barrierefreiheit, sondern wir wären ja auch inklusiv. Und inklusiv heißt ja auch, dass wir diese ganzen Gedanken, die wir hier oft besprochen haben, und dieser ganze Aufwand, den wir haben, die crip costs, also die Kosten, die wir aufgrund von Behinderung haben, die Gedanken, die Planerei, all das würde ja wegfallen, weil einfach jeder und jede Bescheid wüsste. Es gäbe Gesetze, die UN-Behindertenrechtskonvention würde komplett einfach umgesetzt werden, und jeder und jede wüsste Bescheid, wie es läuft. Wir müssten uns darüber nicht mehr unterhalten. Es gäbe diesen Podcast nicht.
Jonas:
Was vielleicht schade wäre. Aber ich meine, dann hätten wir ein anderes Thema, über das wir uns unterhalten würden. Und das wurde eben auch schon angesprochen, dass wir diesen Mehraufwand, in dem Sinne nicht hätten, also crip time / crip costs. Wir hatten im vorherigen Podcast auch schon mal die Löffel-Theorie die Spoon-Theorie, besprochen, wo es darum geht, dass man Energie-Löffel hat über den Tag, die man verbraucht und irgendwann ja auch die Löffel aufgebraucht hat und einfach auch keine Kraft mehr hat, sich jeden Tag mit den ganzen Barrieren und der Diskriminierung herumzuschlagen. Also dass auch das wegfallen würde. Und dass das Leben auf jeden Fall etwas leichter fallen würde.
Raúl:
Ich frage mich, ob du, als jemand, der im Laufe seines Lebens eine Behinderung erworben hat, sich leichter vorstellen kann, was du gemacht hättest ohne Behinderung. Oder was du anders gemacht hättest ohne Barrieren in einer inklusiven Welt oder was du machen würdest… was du geworden wärst… als wir, die wir mit Behinderung geboren wurden, diese Welt ja gar nicht kennen ohne Barrieren.
Jonas:
Ja, ich kann mir das schon vorstellen… vielleicht aber der Gedankengang, wie der eben Freud’scher versprechermäßig dann wäre: okay, wie wäre das Leben, wenn ich keine Behinderung hätte, also dass man sich natürlich dann fragt: okay, wie wäre es, wenn ich jetzt in der Zeit noch mal zurückspringe, so zu dem Zeitpunkt, wo ich noch keine Behinderung hatte, und einfach ab da das Leben mal weiterspiele? Wie wäre es gelaufen? Ich glaube schon, dass es dann vielleicht einfacher ist, sich da reinzudenken, weil man so beide Welten in dem Sinne kennt, als wenn man da überhaupt gar keine Vergleiche hätte und vielleicht auch noch mal ein bisschen mehr in dieser Position das konkreter äußern könnte, was man sich eben wünschen würde. Oder wo man jetzt auf Barrieren stößt im Alltag, wo man Sachen eigentlich früher gemacht hat, ohne eben auf Barrierefreiheit angewiesen zu sein. Also dieser Vergleich, dass ich früher sehr, sehr gerne und sehr, sehr häufig ins Kino gegangen bin und diese Leidenschaft in dem Sinne eigentlich weiter behalten wollte, das aber nur schwer umzusetzen ist, weil eben nicht alle Kinos, nicht alle Filme eine barrierefreie Fassung mit Audiodeskription anbieten, beziehungsweise es dann auch einfach noch mal eine andere Sache ist, den Film so zu erleben. Also das ist schon vielleicht auf der einen Seite leichter, es so zu benennen, aber auch schwieriger, weil man eben beides kennt und das vielleicht auch so tief im Inneren vielleicht auch trotzdem eine Sehnsucht, einen Wunsch auslöst, entweder keine Behinderung zu haben oder aber zu sagen, dass man einfach auf Barrierefreiheit in allen Bereichen trifft.
Raúl:
Aber da würde ich gleich noch mal unterscheiden, weil Kinos für blinde Menschen zugänglich zu machen oder Kinofilme, das ist wahrscheinlich schneller als bis zum Jahr 2500 erreicht. Oder Autos, die selber fahren, damit du selber fahren kannst. Also ein Kino wäre komplett zugänglich für dich – fehlt dann etwas trotzdem, dass du das Erlebnis eines Filmes genießen kannst?
Jonas:
Es ist ja schwer, glaube ich, das miteinander zu vergleichen, weil das einfach auch zwei verschiedene Arten der Wahrnehmung sind. Also genauso wie Audiodeskription an sich ja auch ein Handwerk ist und eine eigene Kunstform. Es gibt ja sehr gute Filme, die durch sehr schlechte Audiodeskription einfach verhunzt werden. Und einfach beides Arten und Weisen sind, den Film zu erleben, die schwer miteinander zu vergleichen sind. Also natürlich, wenn man beides kennt und sagt: okay es ist eigentlich ein Kinofilm, ist ein hauptsächlich visuelles Medium, wäre es natürlich schön, den Film auch zu sehen. Und es lässt sich in dem Sinne einfach sehr, sehr schwer vergleichen, finde ich.
Raúl:
Gibt es Kinofilme, die mit Audiodeskription besser werden, weil der Film so schlecht ist?
Jonas:
Kann es bestimmt geben, wo dann zumindest entweder die Landschaft schön beschrieben wird. Aber natürlich, schlechte Dialoge bleiben schlechte Dialoge und der Plot muss irgendwie auch gut sein. Es gibt aber natürlich Filme, wo sehr viele Dialoge sind, also diese typischen Kammerspiele als Film: Zwei/drei Pärchen treffen sich an einem Abend irgendwie am Küchentisch und diskutieren über irgendein Thema, und es geht hin und her. Und da ist es dann relativ schwer, den kleinen Moment abzupassen, wo man eben auch an der Audiodeskription etwas erzählen kann. Und wenn dann der Dialog des Films plus Audiodeskription sich überlappen und das dann Kauderwelsch wird, ist es natürlich irgendwie schwer, das irgendwie komplett zu erfassen. Und deshalb gibt es da eben auch manchmal Probleme, dass man vielleicht auch gute Filme dann eben gar nicht so mit der Audiodeskription darstellen kann. Wie gesagt, ich finde es schwer und auch teilweise eben müßig, darüber zu diskutieren, was wäre wenn, sondern eher zu gucken, wie wäre die Welt mit kompletter Barrierefreiheit, wo auch immer die Frage ist, gibt es die überhaupt? Wie würde die eben aussehen? Und was würde sich für uns verbessern? Eine Frage, die ich mir aber auch stelle ist, wenn wir eben gesagt haben: okay, wir haben uns alle hier getroffen bei den Sozialheld*innen, weil wir eben unsere Behinderung ja auch so ein bisschen… ja, nicht ins Schaufenster stellen, aber auch quasi benutzen und damit Workshops geben und diesen Podcast machen und unsere Behinderung zum Beruf gemacht haben. Gleichzeitig aber auch häufig erzählen, dass die Behinderung ja nicht alles ist. Raúl, du sagst das ja häufig, man sollte die Behinderung eher wie eine Haarfarbe sehen, also eine kleine Eigenschaft des Menschen. Wäre dann, wenn man sagt: okay, alles ist barrierefrei, und man wird nicht mehr be-hindert, würde diese Eigenschaft dann von einem komplett wegfallen?
Judyta:
Ich finde, sie wäre ja immer noch da. Nur sie würde eben keine Rolle spielen, weil die Voraussetzungen da wären. Also wir hätten noch die medizinische Diagnose. Aber wir hätten keinerlei Probleme beim Antrag stellen, beim in die Schule gehen, am Arbeitsmarkt, weil es eben inklusive Lösungen geben würde, die heutzutage einfach einzeln noch sehr erkämpft werden. Das ist ja das Problem, dass wir noch sehr alle kämpfen müssen, individuelle Lösungen haben, Elternhäuser da sehr dahinter sein müssen, bei geburtsbehinderten Menschen, die diese Menschen wirklich auf den richtigen Weg in Anführungsstrichen durchzukämpfen und den Regelkindergarten zu wählen. Ich glaube, das würde wegfallen, weil es eben ein breites Wissen gäbe darüber, es würde die Ressourcen geben, es würde mehr Wege geben, die nicht vorgezeichnet sind. Es würde einfach Selbstbestimmung auch geben. Und in der Kita gäbe es auch einfach die Menschen, die Gebärdensprache können. Und wenn dann ein taubes Kind dahin kommt, ist da eben eine Erzieherin oder ein Erzieher, der Gebärdensprache kann. Also die Voraussetzungen wären einfach da.
Jonas:
Heißt es, man müsste theoretisch nicht mehr bei der Krankenkasse kompliziert einen Antrag stellen, wenn man einen neuen Rollstuhl benötigt, sondern man könnte einfach so, wie man sich Schuhe oder andere Klamotten kaufen würde, hingehen und man würde Hilfsmittel in diesem Sinne einfach bekommen von der Stange?
Raúl:
Krankenkassen würden einem vielleicht glauben, dass man wirklich das Anrecht auf einen Rollstuhl hat und würden nicht mit einem rumdiskutieren, welcher Rollstuhl, wer den bezahlt und ob man den Antrag auch richtig ausgefüllt hat. Sondern dass einfach gesagt wird: „Ja, sie haben eine Behinderung. So, wir haben das Hilfsmittel für Sie, ist optimal, können sie mitnehmen.“ Ich habe ja auch eine Kaffeemaschine von einer Firma, mit einem N im Namen und die geht kaputt. Und innerhalb von 24 Stunden kommt ein Techniker und bringt eine neue, obwohl ich mir auch selber eine andere besorgen könnte. Also einfach so ein Servicelevel, das man von Anfang an hat und man nicht immer so die ganze Zeit das Gefühl bekommt, man würde irgendwie sich nicht Dienstleistungen illegal erschleichen oder man müsste nicht beweisen, dass man wirklich behindert genug ist. Mareice Kaiser hat das mal in ihrem Buch „Alles inklusive“ ganz schön beschrieben, wie sie sich eine Welt eben vorstellt. Das Kind wird geboren mit Behinderung und die Dienstleistungen kommen von selber. Wenn du Eltern wirst, dann bekommst du Kindergeld, ob du das willst oder nicht. Das bekommst du und du musst es nicht beweisen.
Judyta:
Das musst du beantragen.
Raúl:
Aber du musst das nicht beweisen, dass du ein Kind hast, sondern es reicht irgendwie die Geburtsurkunde und es kriegt auch eine Steuernummer sobald es auf die Welt kommt. Du musst es nicht beantragen, auch Millionäre bekommen das Kindergeld, also ein viel einfacherer Zugang, als die Beantragung von Assistenz oder Pflegestufe, oder einen Rollstuhl, ein Hilfsmittel. Und wenn wir uns das medizinische Modell von Behinderungen ins Jahr 2500 weiterdenken, dann könnte es zunächst vielleicht so aussehen, dass es natürlich weiterhin Behinderungen gibt, die auch genauso geboren werden und genauso durch Unfälle entstehen, dass man medizinisch auch nicht zwangsläufig versucht, wie es momentan manchmal der Fall ist, das unbedingt zu heilen oder wegzumachen, sondern dass man die Person, die die Behinderung hat fragt, was sie braucht. Und ich könnte mir vorstellen, dass man dann nicht die ganze Zeit jahrelang ins Krankenhaus geschickt wird, so wie viele Menschen mit Behinderung es werden und wurden, um so normal wie möglich zu sein, sondern dass medizinisch geguckt wird: okay, wie können wir dir helfen in deinem Alltag, dass du möglichst wenig Schmerzen hast zum Beispiel. Egal, ob du eine Prothese dafür brauchst oder einarmig unterwegs bist, dass das nicht darum geht, das du irgendwie der Mehrheitsgesellschaft gefallen sollst, sondern dass es darum geht, dass du selber möglichst wenig leidest.
Judyta:
Ich glaube, es gäbe auch diese Kategorien nicht von normal und von Mehrheitsgesellschaft, jeder und jede könnte dann einfach so leben wie er oder sie ist.
Raúl:
Ich habe mir vorhin die Frage gestellt bei der Vorbereitung, gibt es denn Momente, die für mich jetzt schon voll inklusiv sind? Oder war ich schon an einem Ort, wo ich vergessen habe, dass ich eine Behinderung habe? Und wenn es nur so Mikrosekunden sind?
Jonas:
Und, hast du was entdeckt?
Raúl:
Ja, das Internet. Ich glaube, das Internet ist so ein Ort, wo ich als rollstuhlfahrender Mensch, wenn ich nicht erzähle, dass ich im Rollstuhl sitze, für die meisten Menschen als nicht behindert gelte, wenn sie nicht meinen Namen googeln.
Judyta:
Für mich ist es im Auto, weil man nicht sieht, dass ich Krücken habe, sondern wenn man so aus dem Fenster guckt, dann wissen die Leute das nicht.
Raúl:
Genau! Oder – ich bin neulich Straßenbahn gefahren mit meinem Rollstuhl und…verrückt wie sonst auch… Und ich kam selber rein, ich kam selber raus, ich habe die Tür selber auf und zu bekommen. Und es war scheißegal, ob ich im Rollstuhl sitze oder ob ich stehe. Es gibt sowieso kaum noch Sitzplätze in diesen Dingern. Das hat sich auch für ein paar Sekunden so angefühlt, als wäre es einfach egal. Und das wünsche ich mir. Und das ist auch so ein Fehler, den wir in der Gegenwart grade so machen, wenn wir über Inklusion reden, wir idealisieren das manchmal so ein bisschen hoch, in so ein Einhornland, in dem alles perfekt ist und wir uns alle liebhaben und jeder, der unfreundlich zu einem ist, ist automatisch behindertenfeindlich. Dabei kann er oder sie auch einfach nur unsympathisch sein, ohne gleich behindertenfeindlich zu sein. Was ich damit sagen will: wenn du das Gefühl hast, es ist einfach egal, behindert zu sein, dann ist es eigentlich für mich schon der Idealzustand. Weil ich will auch nicht bevorzugt werden.
Jonas:
Wobei ich das einen sehr spannenden Punkt finde, den du gerade gesagt hast. Weil ich immer wieder merke, dass wir in so einer Zwischenphase sind. Also weil wir auf der einen Seite wollen, dass Behinderung, behindert sein, egal ist, aber auf der anderen Seite wir uns ja in der Phase, in der wir aktuell sind, extrem für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzen müssen. Und in dem Prozess musst du ja die Behinderung benennen. Du musst ja quasi die Behinderung hervorheben. Du musst sie ins Schaufenster stellen. Ist das nicht irgendwie ein Widerspruch?
Raúl:
Na ja, du hast ja auch in den 70er-Jahren Leute gehabt, die sich an Bahngleise gekettet haben, um gegen Atomkraft zu kämpfen. Und die hatten Slogans wie „Atomausstieg Sofort!“ auf ihren Bannern. Und damals hieß es, wie soll das denn gehen? Dann haben wir alle morgen keinen Strom mehr. Und das war ja allen klar, auch den Menschen, die sich da an die Gleise gekettet haben. Aber 40 Jahre später wurde aus der Atomenergie ausgestiegen und du brauchtest aber diese Leute am Anfang, sonst wäre das wahrscheinlich nie debattiert worden.
Judyta:
Ja, und ich merke das heute schon, wenn ich auf sehr, sehr junge Menschen mit Behinderung oder Kinder mit Behinderung schau, dass die anders aufwachsen, als wir das waren. Also, wir waren die einzigen – das haben wir ja schon öfter hier auch erzählt – in der Schule, in irgendwelchen Freizeitangeboten. Und mittlerweile ist es nicht mehr so. Mittlerweile sind sie nicht mehr die einzigen. Sie sehen sich viel öfter im Fernsehen. Sie sehen sich in der Spielwarenabteilung, also da hat sich auch sehr viel verändert, was irgendwie sehr, sehr schön ist. Also ich wünsche mir, dass wir es nicht verheimlichen müssen, dass wir es aber auch nicht hochhalten müssen, sondern dass es eben dazugehört. Und das würde in so einer Utopie, glaube ich, funktionieren.
Raúl:
Wobei ich schon sagen würde, dass es schon immer noch sehr viele Kinder gibt, die sehr alleine sind, sehr wenig Begegnung mit anderen Kindern mit Behinderung haben und sehr stark in Förderschulen geschickt werden. Also es ist sicherlich besser. Aber ich bin noch nicht bereit zu klatschen.
Judyta:
Nein, auf keinen Fall, da müssen wir ja auch jetzt über die UN-Behindertenrechtskonvention reden. Die ganzen Artikel, die dort drin sind, also zum Thema Arbeit, zum Thema Schule, zum Thema Wohnortwahl, zum Thema Medien, Privatwirtschaft alles ist da drin, und wir haben es 2009 ratifiziert. Und es ist einfach noch nicht in Gesetze umgewandelt worden. Also es ist da. Warum funktioniert es nicht?
Raúl:
1920 haben wir diskutiert, ob Jungs und Mädchen gemeinsam beschult werden in Deutschland. Und man hat sich dafür entschieden, das Jungs und Mädchen gemeinsam beschult werden sollten. Wenn du jetzt auf einem reinen Jungs- oder Mädchen-Gymnasium oder Hauptschule oder Realschule bist, dann bist du ja wahrscheinlich der Exot in Deutschland. Das heißt, Veränderungen sind ja möglich. Und gar nicht so utopisch. Und die Debatten, die es damals gab, warum Jungs und Mädchen getrennt unterrichtet werden sollten, waren die gleichen. Es wurde auch gesagt, die Jungs werden langsamer, sobald Mädchen in der Klasse sind, weil sie dann abgelenkt werden. Und das ist ja alles gleich wie beim Thema Behinderung. Vielleicht ist es wirklich einfach nur, dass man einfach mal anfangen muss, einfach machen und nicht so viel rumdiskutieren und labern.
Jonas:
Ist es auch deine Meinung zu sagen, diesem Umbruchprozess auch Zeit zu geben? Also die Beispiele, die du ja genannt hast, das hat ja 40, 50 Jahre gedauert, bis da irgendwas passiert ist. Möchten wir so lange warten?
Raúl:
Ja, ich finde, wir dürfen die Zeit nicht verlieren mit diskutieren, sondern wir müssen die Zeit nutzen, um es auszuprobieren und Modelle zu entwickeln, es immer besser zu machen. Aber ich habe im Moment eher das Gefühl, wir diskutieren, bevor wir anfangen.
Jonas:
Weil du eben das medizinische Modell angesprochen hast von Behinderungen. Es gibt ja, das ist ja auf der einen Seite doch das Schöne, was das Wort Behinderung ja quasi in sich trägt, also auf der einen Seite, wenn man das medizinische Modell anwendet zu sagen, ein Mensch hat eine Behinderung. Also steckt eine Diagnose dahinter, eine Erkrankung, ein Unfall. Es ist irgendetwas passiert in dem Sinne, vielleicht auch eine sehr defizitorientierte Art und Weise, über Behinderung zu sprechen. Und es gibt das soziale Modell von Behinderungen, wo man sagt, der Mensch wird behindert, also durch die heute schon häufig angesprochenen Barrieren oder eben auch durch die Diskriminierung, die die Personen halt in der Gesellschaft erfährt. Und es gibt eben auch das menschenrechtliche Modell von Behinderung, was dann eher ein sehr neueres Modell ist.
Judyta:
Das nimmt eben den Staat und gleichzeitig auch die Zivilgesellschaft in die Verantwortung, die Rechte von behinderten Menschen zu achten, also eben auch wirklich das Recht auf Barrierefreiheit und Inklusion in den Vordergrund stellt und dadurch eben die Benachteiligung und Diskriminierung eben zu verringern. Also das ist dann der ganze Kreislauf sozusagen.
Jonas:
Aber mit unserem Gedankenspiel würden wir sagen, wir würden in einer Welt leben, wo es keine Barrieren und dann hoffentlich vielleicht auch keine Diskriminierung gibt, würde dann einzig und allein nicht vielleicht das medizinische Modell übrigbleiben? Also wären wir nur noch Menschen mit irgendwelchen Diagnosen?
Judyta:
Sie würden eben keine Rolle spielen, stelle ich mir vor, weil eben die kompletten Voraussetzungen um einen herum da wären. Also so, wie Raúl gesagt hat, der Rollstuhl würde quasi morgen vor der Tür stehen, ohne dass ich vor Gericht ziehen muss. Raúl, das wäre doch echt mal was! Per UPS geliefert…
Raúl:
…mit der Lieblingsfarbe chrom-matt, bitte.
Judyta:
Mit Kaffeebecherhalter! Ganz wichtig!
Jonas:
Haben für den auch noch einmal erwähnt.
Da stelle ich mir trotz alledem noch mal die Frage: zwischen Behinderung, zwischen Eigenschaften, wie einer Haarfarbe zum Beispiel oder Identität, wie viel muss man auch das trotzdem selber hochhalten? Und wie wichtig ist trotz alledem so ein bisschen die Kategorisierung von Menschen? Jetzt nicht, um in gut oder schlecht einzuteilen, aber eben, dass wir auf der einen Seite sagen, unsere Gesellschaft ist vielfältig und sehr, sehr unterschiedlich. Auf der anderen Seite sagen wir, dass wir aber alle gleich sein wollen, also natürlich die gleichen Rechte, die gleichen Pflichten. Aber wie nötig ist es trotz alledem, Unterschiede hervorzuheben? Also wenn man jetzt zum Beispiel an die Paralympischen Spiele denkt. Oder man würde sagen, man hätte gar keine Paralympischen Spiele mehr, sondern bei den Olympischen Spielen treten alle Menschen an, egal ob mit und ohne Behinderung, in demselben Wettkampf. Wäre das denn überhaupt dann fair? Weil wenn du dann sagst, da hast du dann beim Schwimmen Personen ohne Behinderung, die starten im gleichen Feld wie Personen, die vielleicht beide Arme amputiert haben. Dann würden ja in dem sportlichen Wettkampf voraussichtlich die Sportler*innen ohne Behinderungen gewinnen.
Judyta:
Also ich würde das den Ringrichter*innen überlassen, dass die irgendwie so ein gutes Punktesystem irgendwie ausbaldowern. Das machen wir ja jetzt schon bei den Paralympics. Ich traue ihnen zu, dass sie das dann auch hinkriegen würden für alle.
Jonas:
Ja, aber auch da ein Punktesystem. Ich habe mir sagen lassen, dass es die Bundesjugendspiele in der Form nicht mehr gibt. Aber früher in der Schulzeit, wurde ja auch schon unterschieden zwischen Jungs müssen den Ball so weit werfen, um eine Siegerurkunde zu kriegen, Mädchen eher weniger weit, weil sie vielleicht nicht so stark sind wie Jungs. Also es wurden ja selbst da Unterschiede gemacht nach dem Punktesystem. Also wie wichtig ist es, wenn man das jetzt noch einmal auf Behinderungen bezieht, trotz alledem zu sagen ja, wir wollen dort hin, dass die Behinderung eigentlich egal ist. Aber wir wollen ja auch trotz alledem, weil es Teil unserer Identität ist, dass es eben nicht komplett unter den Tisch fällt.
Raúl:
Ich glaube, das ist eine individuelle Frage. Also es gibt Menschen, die machen aus ihrer Haarfarbe, aus ihrem Geschlecht oder ihrer genetischen Disposition eine Identitätsfrage. Oder es gibt Menschen, die machen das nicht. Und wenn du das nicht mehr machen musst, also die Freiheit hast, das zu machen oder nicht, das ist, glaube ich, die Welt von der wir die ganze Zeit reden. Aber ich glaube nicht, dass 2500 das dann gar nicht mehr gemacht wird.
Judyta:
Könnte ich so mitgehen, ja. So mitrollen…..Tschuldigung
Raúl:
So unbefriedigend das ist, es ist ein klassisches Jein. Eindeutig!
Judyta:
Ich glaube, es würde keine Rolle spielen. Ich glaube, es würde wirklich nicht mehr so die Rolle spielen, genauso wie Raúl das gesagt hat. Jetzt gibt es schon diese kleinen Momente, wo es durchscheint, wie es sein könnte. Es gibt die kleinen Erfolge. Es gibt die großen Erfolge. Es gibt natürlich noch viel Ignoranz, irgendwie auch gerade bei nicht behinderten Menschen. Aber ich glaube, manchmal scheint es durch wie es sein könnte. Und das macht mich sehr hoffnungsfroh. Also es gibt diese kleinen Hoffnungsschimmer und diese Schimmer, die immer durchscheinen, was auch Raúl gerade gesagt hat, wie es sein könnte. Und ich glaube einfach, dass wir da trotzdem auch sehen, dass, wenn Behinderung keine Rolle mehr spielen würde, weil eben Inklusion und Barrierefreiheit gegeben wären, hätten wir trotzdem Struggels. Wir hätten trotzdem Liebeskummer, vielleicht Geldnot, oder wir würden irgendwie nicht den Beruf nehmen oder ausüben, den wir gerne haben wollen würden. Also das heißt nicht, dass wir komplett im Einhorn-Wunderland – oder wie hast du es, Raúl, genannt?
Raúl:
Einhornland.
Jonas:
Ja, aber das wären ja die Struggels, so wie du gesagt hast, die ja auch Menschen ohne Behinderung tagtäglich haben. Also die gleichen Probleme, die wir jetzt ja auch haben, hätten wir dann ja auch.
Raúl:
Ja, aber das würde bedeuten, dass wenn jetzt Leute sagen: ja, wir haben alle unsere Päckchen zu tragen, dass dann dieser Satz stimmt. Im Moment ist es ja so, dass wir immer ein Päckchen mehr zu tragen haben. Weil wir haben ja unsere Behinderung und Liebeskummer.
Jonas:
Genau. Und häufig auch andere Leute ohne Behinderung sagen, das ja jeder Mensch in irgendeine Art und Weise eine Behinderung hat, was ja auch vollkommener Quatsch ist. Also jeder Mensch stößt vielleicht mal im Laufe des Lebens irgendwie auf Barrieren. Wenn man… einen Kinderwagen…
Raúl:
Wenn man sich gut anstellt.
Jonas:
Genau. Aber eben das, dass es dann in dem Sinne… dass dann jeder Mensch sein Päckchen zu tragen hätte, dann würde es wirklich stimmen. Dann wäre die Gleichheit irgendwie auch geschaffen.
Raúl:
Das gute alte Päckchen bei der Packstation um die Ecke. Muss ich nachher auch noch tragen…wir haben ja Weihnachten.
Jonas:
Stimmt, jetzt wo du‘s sagst, fällt es mir auch wieder ein.
Judyta:
In diesem Sinne.
Jonas:
Wir wünschen euch auf jeden Fall eine sehr schöne Zeit zum Jahresende. Ich muss auch noch mal ein Stückchen von meinem Tee noch nachgießen. Zu den Keksen bin ich gar nicht gekommen, aber die bringe ich euch dann das nächste Mal mit, wenn wir uns sehen. Hoffentlich wieder bald. Irgendwann, wenn die Büros wieder geöffnet haben. Habt ihr sonst noch irgendwelche warmen Worte, die ihr loswerden möchtet?
Raúl:
Frohe Weihnachten.
Judyta:
Guten Rutsch!
Raúl:
Frohe Festtage. Einen guten Rutsch.
Judyta:
Allen, die mit Weihnachten nichts anfangen können, eine schöne Winterpause.
Jonas:
Genau. Wir hoffen, dass ihr dann im nächsten Jahr wieder mit dabei seid. Alle Informationen zu diesem Podcast und zu den vorherigen Podcasts, wo es zum Beispiel um das Thema Schule oder den Arbeitsmarkt geht, findet ihr auf www.dieneuenorm.de und unseren Shownotes. Und ihr könnt uns natürlich auch jederzeit kontaktieren über [email protected] oder [email protected].
Damit wünschen wir euch alles Gute und freuen uns auf euch! Im nächsten Jahr – 2022. Bis dahin.
Raúl, Judyta, Jonas:
Tschüss