“…oder der Bruder, der vielleicht eine Körperbehinderung hat. Macht ihn das nicht weniger zum Bruder, sondern eher zu einem realistischen Abbild einer Gesellschaft, indem sich die Zuschauer wiedererkennen können?”
Bei ihrer Laudatio im Rahmen des Panels “A Path Forward – wie Genderbalance und Diversität Hand in Hand gehen” nannte Leslie Malton, die Vorsitzende des BFFS, dem größten Schauspielerverband Deutschlands, dies als eines der Beispiele für Vielfalt im Film.
Eigentlich würde ich mich als einer der bekanntesten Schauspieler mit Behinderung in Deutschland über diese Worte freuen. Der Vorfall, der mir jedoch im Rahmen dieser Veranstaltung begegnete, zeigte mir, dass solche Aussagen nicht zwangsläufig gelebte Realität sind.
Wochen zuvor wurde ich angefragt, zu diesem Panel ein Statement zu geben, was ich auch gerne tat. Meine Frage, ob denn bei der Veranstaltung auch Schauspieler*innen mit Behinderung repräsentiert würden, da ich dies äußerst wichtig fände, bejahte man und versicherte mir, mich einzuladen, sollte die bereits eingeladene gehörlose Regisseurin absagen.
Einen Tag vor der Veranstaltung sah ich vollkommen zufällig, dass sie nicht teilnehmen würde. Ihre Position wurde ersetzt. Allerdings nicht durch jemanden mit Behinderung, sondern durch einen Repräsentanten der LGBT- Community. Diese Minderheit war jedoch bereits durch andere Vertreter gegeben. Unfassbar jedoch für mich waren vor allem die Ausreden, mich hier nicht einbezogen zu haben: von Gründen der Kurzfristigkeit bis hin zur Nachhaltigkeit, weil ich aus München hätte nach Berlin kommen müssen… Fakt ist, ich wurde nicht gefragt. Auf meine Forderung, dann auch nicht als Feigenblatt für den bunt- diversen Blumenstrauß herhalten zu wollen, hieß es, aus technischen Gründen könne man das Statement nicht zurückziehen.
Diversität, Chancengleichheit, Teilhabe – Schlagworte, die aktuell geradezu inflationär verwendet werden. Schaut man sich jedoch die Film- und Fernsehwelt an, wird die Gruppe von Menschen mit Behinderung nicht einmal ansatzweise abgebildet. Merkwürdig, da sich doch die Branche so vielfältig gibt wie nie zuvor und die Sichtbarkeit unterschiedlichster marginalisierter Gruppen einfordert.
Nur die tatsächliche Einlösung von Sichtbarkeit von Menschen mit Behinderung als ein vollkommen selbstverständlicher Bestandteil der Medienwelt (siehe hier beispielhaft USA oder England), wird auch gesellschaftliche Prozesse in Gang bringen; endlose Debatten oder Diskussionen tun dies nicht!
Wir müssen sehr genau darauf achten, inwieweit Forderungen nach Vielfalt in der Realität sichtbar und überprüfbar sind – oder aber wo es sich hier um Etikettenschwindel handelt und Menschen/ Künstler*innen mit Behinderung instrumentalisiert werden.
Eine Antwort
Ich kann den Kommentar von Herrn Alkjukic nur unterstützen und bestätigen. Und wer überhaupt nicht bei diesem gesamten Gender- und Inklusions-tra-ra ‘abgebildet’ wird, das sind ältere Menschen mit Behinderung. Generation 65-plus mit Behinderung und Assistenzbedarf. Oder Menschen mit Sprechbehinderungen und Gesichtsentstellungen. Man verlangt implizit von ihnen eine Art selbstauferlegten lebenslangen Dauerlockdown. Gehen Sie mal mit deutlicher Gesichtsentstellung in einer Theatervorstellung oder ins Museum, setzen sich in Zug oder Bus. Da hat man das Abteil eventuell für sich, aber spätestens beim Aussteigen wissen Sie wieder wo der Hammer hängt. Und Berufe und Arbeit, wo man Gesicht zeigen muss, da fallen ganze Branchen weg, in denen man keine Arbeit findet. Das ist der Lackmustest für unsere (westliche) Gesellschaften – und für das Diversitätsgeklüngel. Letzteres muss dringendst hinterfragt werden.