Für zahlreiche Menschen ist sie die Idealvorstellung von Romantik: Die Liebe auf den ersten Blick. Bestimmt gibt es auch Menschen mit Behinderung, die in den Genuss kommen, die ausgewählte Erste-Blick-Liebe für jemanden darzustellen. Allerdings vermute ich, dass das leider nicht allzu oft der Fall ist. Schon mehrfach musste ich die Erfahrung machen, dass meine Behinderung abschreckend wirkt, wenn es um Dates und potenzielle Beziehungen geht. Von anderen weiß ich, dass es ihnen ähnlich ergeht.
Bevor ich persönlich beurteilen kann, ob mir eine andere Person sympathisch ist, muss ich mit ihr sprechen. Ich würde sagen, das, was sich manch anderer unter der Liebe auf den ersten Blick vorstellt, ist für mich die Liebe aufs erste Gespräch.
Das sieht offenbar nicht jeder so: Wenn ich mich durch die Profile einer gewissen Dating-App klicke, gewinne ich den Eindruck, dass sich viele junge Frauen ihren Partner wohl so vorstellen: 1,90 Meter groß und neunzig Kilo reine Muskelmasse.
Ob ich wohl – nach der Corona-Pandemie – regelmäßig Dates hätte, wenn ich so aussähe? Das werde ich wohl nie herausfinden, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ich mein Körpergewicht durch den Aufbau von Muskelmasse verdopple und über Nacht knapp zwanzig Zentimeter wachse, ist tendenziell eher gering. Denn ich hab höchstens dann Massephase, wenn ich ‘ne Masse an neuen Pointen schreibe.
Ich sehe das so: Neben mir gibt´s zwar keinen schmaleren Lauch,
aber ich bin wie ´ne Brücke auf Stahlpfeilern drauf – überragend gebaut.
Wenn ich auf besagter Dating-App in den Profilbeschreibungen als einzigen Hinweis in der Biografie lese “Ich bin 1,74, sei also bitte größer.”, dann frage ich mich schon, was mit uns als Gesellschaft nicht stimmt.
Das Aussehen wird überbewertet. Denn bei Treffen wollen wir die andere Person ja nicht nur ansehen, sondern Zeit mit ihr verbringen, uns auf sie einlassen.
Natürlich spielen körperliche Attribute eine Rolle bei der Partnerwahl, das möchte ich gar nicht bestreiten. Aber reduziert eure Wunschvorstellungen bitte nicht auf Oberflächlichkeiten.
Vielleicht entspricht der perfekte Partner ja nicht dem eigenen Ideal. Wer sich von vornherein selbst einschränkt, verpasst vielleicht seinen Traumpartner.
Oder man trifft die falsche Wahl, da der gut aussehende Typ mit 1,77 Metern nicht zuhört und sich nicht in seine Partnerin hineinversetzt.
Den 1,71 großen, freundlichen und humorvollen Typen hatte man ja im Vorfeld bereits aussortiert. Dieses Beispiel ist natürlich rein zufällig gewählt und hat nichts damit zu tun, dass ich selbst 1,71 Meter groß bin. 😉
Die Mechanismen der Partnersuche meiner Generation bereiten mir Sorgen: Warum sind wir als Gesellschaft so sehr auf die Optik eines potenziellen Partners fixiert? Wann – und vor allem – warum sind wir als Gesellschaft so oberflächlich geworden? Wird ein Partner denn nur noch als Statussymbol betrachtet? Warum wird die Behinderung eines Menschen häufig als unattraktiv wahrgenommen?
Zumindest bei der letzten Frage wage ich mich an den Versuch einer Antwort: Sicherlich spielt der Gedanke mit rein, dass man auf Dinge verzichten und sich einschränken müsse, wenn man mit einer Person mit Behinderung zusammen ist. Eventuell kann man gewisse sportliche Aktivitäten nicht zu zweit ausüben. Die Furcht vor Kompromissen kann eine abschreckende Wirkung entfalten. Aber gehen wir nicht in jeder Beziehung Kompromisse ein?
Für genau diese Kompromisse sind aber wohl die meisten nicht bereit, zumindest, was das Aussehen betrifft.
Versucht euch frei zu machen, von dem Gedanken “zu klein”, “zu groß”, “zu dick”, “zu dünn”, “zu wenige Haare”, oder “zu viele Sommersprossen”. Macht euch frei davon, eine Behinderung als Makel anzusehen.
Gebt den Leuten eine Chance! Im schlimmsten Fall könnt ihr euch nach dem ersten Treffen gegen ein zweites entscheiden, sofern ihr euch nicht wohl gefühlt habt. Im besten Fall landet ihr einen unerwarteten Glücksgriff, der euer Leben bereichert.
*Aufgrund der übersichtlicheren Lesbarkeit wird in dieser Kolumne nicht gegendert. Es sollen sich selbstverständlich alle Geschlechter angesprochen fühlen.
Eine Antwort
Wir sind erzogen Anderen zu gefallen. Es ging nie um uns. das war nicht gut. Wir haben uns verloren um anderen zu gefallen um geliebt zu werden. Uns wurde suggeriert nur wenn du so bist wirst du geliebt. Vieles falsch gelaufen. Wenn Eltern ihr eigenes Kind nicht lieben wie es ist ist das Scheitern vorprogrammiert. Am Anfang war die Liebe. Wenn es das nicht gibt folgt Kummer und Schmerz. Ein Kind ist ein Geschenk! Ist und bleibt es. Wer anders denkt tut mir leid!