Inklusion im Sport – Transkript

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Die Neue Norm: „Drei Journalist*innen, zwei Rollstühle und eine Sehbehinderung: Die Journalist*innen Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raul Krauthausen sprechen über Behinderung, Inklusion und Gesellschaft.

Folge 28: „Inklusion im Sport“

Jonas: Judyta, was sind deine Assoziationen mit dem Thema Sport?

Judyta: Sehr gute Frage, Jonas. Ich möchte da einmal über Golf sprechen und über Tennis. Und zwar spiele ich diese zwei Sportarten nicht, aber ich habe sie im Arm.

Sprecher: Die neue Norm. Eine Sehbehinderung, zwei Rollstühle – oder: drei Journalist*innen. Judyta Smykowski, Jonas Karpa und Raúl Krauthausen sprechen über Behinderung, Inklusion und Gesellschaft. Ein Podcast von Bayern 2.

Jonas: Herzlich willkommen zu „Die neuen Norm“, dem Podcast. Am 19. Juni starten die Special Olympics National Games hier in Berlin. Das sind die Testläufe zu den Special Olympics World Games, die dann ein Jahr später, 2023, hier in Berlin stattfinden. Und wir haben uns gedacht, wir reden heute auch mal über Inklusion im Sport. Wir stellen uns nämlich die Frage, ist es realistisch, solche Sportveranstaltungen im Sinne der Inklusion zusammenzulegen? Oder ist das eine Utopie, weil der Leistungsgedanke im Vordergrund steht? Und, wie können Menschen mit und ohne Behinderung abseits von solchen Großveranstaltungen gemeinsam Sport machen? Muss sich zum Beispiel der Schulsport ändern, so dass behinderte Menschen, wie zum Beispiel Judyta, nicht frühzeitig das Interesse daran verlieren? Und kann quasi die sportliche Betätigung dazu führen, dass man einfach die Körpergrenzen wahrnimmt? Oder führt es eher dazu, dass man eher die Grenzen aufgezeigt bekommt? Mir gegenüber sitzt Judyta Smykowski. 

Judyta: Hallo! 

Jonas: Mein Name ist Jonas Karpa. Eigentlich sollte heute auch Raúl Krauthausen natürlich dabei sein, wie immer. Aber er hat diese Woche keine Zeit, beziehungsweise, man weiß es nicht. Vielleicht hat er sich vor dem Thema Sport gedrückt. Nein, aber Raúl hat keine Zeit. Aber wir haben uns gedacht, okay, zu zweit jetzt hier über das Thema Sport zu reden, Judyta, du mit Tennis- und Golf-Arm, …

Judyta: Da wäre es schnell zu Ende. 

Jonas: Genau dann könnten wir den End-Jingle hier schon wieder spielen. Deshalb haben wir uns eine sehr prominente, beziehungsweise, eine wahnsinnig gute Unterstützung für diesen Podcast geholt. Nämlich, wir haben einen deutschen Meister, ein Europameister, ein Weltmeister und ein Goldmedaillengewinner von den Paralympischen Spielen in Tokio bei uns, nämlich Valentin Baus. Hallo!

Valentin Baus: Hallo, schön, dass ich da sein darf. 

Jonas: Ja, schön, dass du da bist. Und, wie gesagt, wir möchten ja auch mal gleich beginnen mit dem Thema der Sportgroßveranstaltungen. Wie inklusiv hast du die Paralympischen Spiele damals empfunden, beziehungsweise, kennengelernt? Du bist ja im Tischtennissport unterwegs.

Valentin Baus: Ja, ich bin im Tischtennissport unterwegs. Ich habe damals mit Tischtennis angefangen mit sieben Jahren, im Urlaub mit der Familie, damals noch nicht im Rollstuhl. Ich habe die Glasknochen und bin dann im Laufe der Jahre irgendwann auf den Rollstuhl angewiesen geworden. Ich hab vorher ganz normal angefangen im Stehen und im ganz normalen Sportverein.

Jonas: Würdest du dir denn wünschen, sage ich mal, im Sinne der Inklusion, das man jetzt keine Sonderveranstaltungen hat, wie Special Olympics, Paralympics, es gibt ja auch sogar die Deaflympics, also die sportliche Veranstaltungen der Menschen, die eine Hörbehinderung haben, wäre so ein Groß-Event, wo alle gemeinsam teilnehmen, irgendwie schöner für dich.

Valentin Baus: Ja, ich denke mal, dadurch, dass man sich mit Leuten messen möchte, es geht ja um den Sport und um den Wettkampf an sich, und um das auch leistungsmäßig vergleichen zu können, muss man auch doch die gleichen Voraussetzungen haben. Wie zum Beispiel, ich spiele dann jetzt bei so Großveranstaltungen gegen andere Leute, die auch im Rollstuhl sitzen und die gleichen körperlichen Voraussetzungen haben, wie ich. Und möchte ich mich natürlich auch so mit denen messen und vergleichen. Natürlich wäre eine Großveranstaltung, an der alle teilnehmen würden, wäre, glaube ich eine schöne Sache, aber es ist, glaube ich, zum einen sehr schwer umsetzbar. Weil es einfach von der Größe her zu viel ist, wenn man sich anguckt, wie groß die Paralympics sind oder Olympia – wenn man das so zusammenlegen würde. Ich glaube, dass wäre sehr, sehr schwer, das irgendwie vernünftig hinzukriegen.

Jonas: Aber ist es trotz alledem, wenn du jetzt quasi sagst, okay, von der medialen Aufmerksamkeit, das vielleicht bei den Paralympischen Spielen eher dieser Fokus auf Behinderungen ist und das eher dann so ein so ein Nischenprodukt ist im Gegensatz zu der großen medialen Aufmerksamkeit von Olympischen Spielen, wo dann alle gemeinsam daran teilnehmen?

Valentin Baus: Ja, ich glaube, zum einen ist das mit den Paralympics, die mediale Aufmerksamkeit steigt natürlich jetzt von den Malen, ich erinnere mich, ich war ja in Rio schon dabei und jetzt in Tokio, es ist auf jeden Fall mehr geworden. Und ich denke auch, dass es meistens um die sportliche Leistung geht, die wir da erbringen und einfach um den sportlichen Wettkampf. Natürlich gibt es immer vereinzelte Berichte oder vereinzelte Journalisten, die da ein bisschen am Thema vorbei sind und halt auch irgendwie manchmal fragwürdige Fragen stellen. Es ist halt immer ein bisschen schwierig, aber ich glaube im großen Ganzen sind wir mittlerweile da angekommen, dass es um den Leistungssport geht und die Leute auch sehen, dass wir halt auch sehr viel Zeit und Training da rein investieren. Ich glaube international sind auch sehr viele Profis mittlerweile, die jetzt nichts mehr anderes machen, außer Sport zu betreiben. Das sieht man halt einfach an der Leistungsdichte. 

Judyta: Du sprichst da das Interview mit der Sportschau an, live im Fernsehen, das war so ein toller Moment. Vielleicht kannst du das kurz erzählen.

Valentin Baus: Das war halt an dem Tag, wo ich dann die Goldmedaille gewonnen habe. Da wurde es halt in dem Gespräch ein bisschen dargestellt, als ob ich so ein bisschen an meiner Behinderung leide, an meinen Glasknochen, das trifft halt auf jeden Fall nicht zu. Ich habe halt ganz klar wiedersprochen, dass ich nicht leide, sondern dass ich einfach die Glasknochen habe. Einfach als ein Teil, der zu mir gehört und was man auch ruhig erwähnen darf. Aber nicht, dass ich deswegen irgendwie Mitleid brauche oder dass ich deswegen ein Leben führe, das weniger Glücklich ist. 

Jonas: Hast Du also generell das Gefühl, also beziehungsweise, mein Gefühl ist so ein bisschen gerade auch in der Berichterstattung bei den Paralympics das selten so, ja, ich will nicht sagen, vielleicht auch schamlos über Diagnosen von Menschen gesprochen wird, wie bei keinem anderen Event. Also wenn man dann irgendwie sieht, 100 Meter, Brustschwimmen, der Leute, die vielleicht irgendwelche Gliedmaßen amputiert haben. Da wird dann erzählt, warum das ist, welche Diagnose da die Leute haben, was für eine, ja im wahrsten Sinne des Wortes, dann quasi irgendwie Leidensgeschichte dahintersteckt. Hast Du quasi auch dieses Gefühl, dass es da einfach irgendwie anscheinend Grenzen überschritten werden, die es in anderen Bereichen so nicht gibt.

Valentin Baus: Ja, ich denke, manchmal wird ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen. Ich finde es zum einen in Ordnung, wenn man halt erwähnt, was der Mensch hat oder was für Einschränkung er hat, das, finde ich, gehört auch ein bisschen dazu, dann, dass man das sagt, vielleicht auch, um die verschiedenen Wettkampfklassen zu erklären, warum der jetzt in der Wettkampfklasse oder sich mit dem misst, oder so. Aber jetzt darüber hinaus finde ich das eigentlich nebensächlich, sollte auch gar nicht erwähnt werden, sondern man kann ja fast sagen ja, der hat jetzt Glasknochen, der hat jetzt irgendwie seine beiden Beine verloren. Ich finde, damit hat man das auch ein bisschen schon abgehakt, schon geht es halt um den Sport.

Jonas: Ich fand’s irgendwie sehr interessant. Wir hatten mal eine Anfrage bekommen von einem Para-Sportler aus der Schweiz, der bei uns nachgefragt hat, ob es denn normal sei oder ob er dagegen etwas sagen könnte, weil er immer das Gefühl hatte, bei solchen Veranstaltungen werden dann extra, ja, Leute, die halt auch eine Behinderung haben, Influencer*innen, was auch immer, werden dann quasi genommen, um diese Interviews zu führen, damit sozusagen die Medien versuchen, irgendwie ein Interview auf Augenhöhe darzustellen, indem quasi dann beide Personen eine Behinderung haben, wo er gesagt hat ich mache hier Sport, und ich will quasi als Sportler auch wahrgenommen werden. Deshalb, ich möchte befragt werden von SportjournalistInnen. Und hast du das Gefühl, dass die Aufmerksamkeit auf dem Sportlichen bei dir auch liegt oder wird auch zu viel über andere Sachen berichtet?

Valentin Baus: Ja, für mich persönlich ist es meistens so, dass es halt schon um meinen Sport geht. Also ich habe jetzt wenige Erfahrungen gemacht, die irgendwie in eine andere Richtung abdriften. Aber wenn es halt dann mal war, dann habe ich halt immer ganz klar da meine Meinung zu und versucht, freundlich aber bestimmt dagegen zu sprechen. Deswegen kann ich jetzt aus meiner Sicht auch, wenn ich jetzt mein Erlebnis nach Tokio da ein bisschen Revue passieren lasse, war es halt auch oft sehr positiv, wie die Menschen halt auch auf mich reagiert haben. Ich wurde sehr oft erkannt, da ging es halt immer nur um meine sportlichen Leistungen.

Judyta: Wir haben ja schon darüber gesprochen, kann man das zusammen legen, die ganzen drei, vier, fünf verschiedenen Olympischen Spiele? Und wir haben im Vorfeld auch jemanden befragt dazu. Und zwar Sven Albrecht, den Geschäftsführer von Special Olympics World Games Berlin. Und der hat uns erzählt, was er zu dem Thema Zusammenlegung denkt. 

Sven Albrecht: Ob man diese drei großen Veranstaltungen zusammenlegt, da glaube ich, stellen sich natürlich zunächst einmal die logistischen Fragestellungen, wenn man sich allein die Personenanzahl ankuckt, dann hat natürlich jede Veranstaltung auch für sich einen Wert, vielleicht auch ein bisschen andere Aussagen, die hinter den Veranstaltungen stehen. Das muss man sich also sehr genau überlegen. Und wir sind auch der Meinung, dass es eigentlich viel, viel wichtiger ist, im Alltag Begegnungen zu schaffen. Das heißt, dass Wettbewerbe auf lokale, nationale und internationale Ebenen Einzelsportarten viel selbstverständlicher inklusiv ausgerichtet werden sollten. Dass Menschen mit und ohne Behinderung zur gleichen Zeit ihre Wettbewerbe ausführen. Dann sind wir auch davon überzeugt, dass wir mittelfristig wirklich etwas verändern können. Die großen Veranstaltungen werden gebraucht, um großes Bewusstsein zu schaffen. Aber wirklich Einstellungen können wir verändern, wenn wir alltägliche Begegnungen vor Ort schaffen bei Wettbewerben. Und da ist unser großer Ansatz, dass es selbstverständlicher wird, dass Menschen mit geistiger Behinderung eine Teilhabe bei ganz vielen Wettbewerben erhalten und nicht nur bei Sportgroßveranstaltungen.

Jonas: Das ist auch so eine, ja, Aussage, die ein bisschen deckungsgleich ist mit einem Text, den wir auf „Die Neue Norm“ veröffentlicht haben, von unserem Autor Leon Amelung, der auch mal rumgefragt hat bei den verschiedenen Verantwortlichen, von diesen Großveranstaltungen. Ob das denn möglich wäre, so etwas zusammenzulegen. Und da war häufig der Punkt, dass es einfach aus logistischer Sicht gar nicht möglich ist, dieses Ganze zusammenzubringen, weil einfach so viele Leute dann später bei dieser Veranstaltung wären. Valentin hast du auch das Gefühl, dass gerade dann bei den Paralympischen Spielen, wenn die dann quasi stattfinden, es so wäre das einfach, da die Möglichkeit ist, wie gerade Sven Albrecht gesagt hat, dass man da einfach eine andere Botschaft transportieren könnte und es eben nicht so ist, das dann, wenn man das zusammenlegt und dann irgendwie die paralympischen Sportveranstaltungen parallel zu den Olympischen Spielen stattfinden. Dass es dann nicht so die Vorband oder einfach so irgendwie so ineinander irgendwie untergeht und das irgendwie gar nicht mehr so im Fokus ist.

Valentin Baus: Ja, ich könnte mir schon vorstellen, wenn jetzt Olympia und Paralympics zusammengelegt werden, dass dadurch, ja, die paralympischen Wettbewerbe auf jeden Fall zum Teil ein bisschen untergehen würden. Deswegen, ist es ja, so zu sehen, eigentlich ganz schön, dass wir eine eigene Veranstaltung haben, wo wir dann noch im Mittelpunkt stehen, wo unsere sportliche Leistung im Mittelpunkt steht und deswegen vielleicht also keine schlechte Sache. Sozusagen ist ja Olympia quasi die Vorbild für uns. 

Judyta: Das stimmt. Wie war das denn bei dir als Kind? Sven Albrecht hat ja eben gesagt, man muss so diese kleinen Begegnungen schaffen und ich kann mir schon vorstellen, dass man, wenn man dann in einen Verein kommt, Rollstuhl gilt so ein bisschen als die Premium-Behinderung. Oder? Das kann man, glaube ich, so sagen, dass das so ein bisschen, ja, okay ist, normaler ist, dass man Rollstuhlfahrer*innen sieht. Und dann können eben vielleicht TrainerInnen sagen, ja, wir versuchen es einfach mal mit dir. Also war das bei dir auch so, oder wie bist du auf diesen Para-Sport, sozusagen, auch auf diesen professionellen Sport gekommen?

Valentin Baus: Es hat sich einfach so ein bisschen entwickelt. Ich habe halt ganz normal erst mal im Stehen angefangen und noch nicht im Rollstuhl. Ein paar Jahre habe ich dann gespielt, ich war dann auch auf Landesebene, nicht schlecht, relativ talentiert und dann bin ich halt, ich glaube 2008 oder so ging es dann so los mit meinen Brüchen, wo es dann so klar wurde, dass es mit dem Lauf nicht mehr ganz so wird wie früher, ja. Und in der ersten Woche, wo ich dann die Krankenhaus lag, habe ich mich auch gefragt, wie mache ich das mit dem Sport weiter? Geht das denn? Ich habe mit meinem Vater darüber geredet, der sitzt auch im Rollstuhl, von dem habe ich ja die Glas-Knochen geerbt gehabt. Der hat gesagt, ja klar machst du den Sport weiter, natürlich geht das. Und ich habe dann einfach direkt weitergespielt. Erst auch ganz normal mit meinen Kollegen, mit denen ich vorher auch gespielt habe. Mit denen habe ich dann einfach im Rollstuhl weitergespielt. Das war irgendwie nie ein Problem, dass ich da irgendwie kein Anschluss habe oder, dass ich nicht mehr mit spielen kann.

Judyta: Dann sind Sie durch dich sozusagen inklusiv geworden. Oder gab es da mehrere behinderte Menschen in dem Sportverein?

Valentin Baus: Ne, ich war der der einzige Rollstuhlfahrer in dem Verein. Ich bin halt dann danach erst in einen Behinderten-Sportverein eingetreten, dann da zum Anfang einige deutsche Meisterschaften gespielt und die ersten internationalen Turniere, die ersten Lehrgänge mit der Nationalmannschaft und so. Das kam aber erst danach, nachdem ich im normalen Sportverein tätig war. 

Judyta: Aber wie war das denn, diesr eine Moment sozusagen, wo Du dann auf dem Para-Sport Weg gehen musstest, sozusagen?

Valentin Baus: Ja, musstest – ich konnte es machen. Ich war gut genug einfach und wollte mich halt einfach messen. Ich wollte gucken, wie gut ich dann bin, auch im deutschen Vergleich, dann im internationalen Vergleich. Für mich war immer nur dieser Leistungssportgedanke wichtig. Also ich wollte mich einfach messen. Und das mit den Besten der Welt, mit den Besten im Rollstuhl-Tischtennis. Von daher war das immer für mich im Vordergrund. Ob es jetzt, sage ich mal, der Para-Sport ist oder der olympische Sport, war jetzt für mich als Junge nicht so entscheidend.

Jonas: Jetzt bist du ja quasi der Beste der Welt. Und kann man sagen, dass der Gedanke der Inklusion im Sport, also quasi wirklich das Sport machen, zwischen Menschen mit und ohne Behinderung – scheitert das an diesem Leistungsgedanken, dass man keine Option hat, irgendwie die Leistungen entweder miteinander zu vergleichen, oder dass es irgendwie daran scheitert, weil ja Menschen ohne Behinderung sich vielleicht nicht mit behinderten Menschen irgendwie messen möchten?

Valentin Baus: Ja, ich glaube da ist Tischtennis eigentlich die ideale Sportart. Also wir haben die gleichen Bedingungen, ob es jetzt im Rollstuhl ist oder im Stehen. Ich trainiere auch mit Leuten, die jetzt nicht im Rollstuhl sitzen, sondern auch keine Behinderung haben, mit denen trainiere ich ganz normal und das funktioniert auch super. Und ich spiele auch in der normalen Mannschaft, von daher messe ich mich auch trotzdem nur noch mit Leuten, die jetzt keine Bedrohung haben. Für mich ist das jetzt die niedrigste Frage, ob es jetzt jemand mit einer mit Behinderung oder ohne ist. Also ich denke mal, da das Tischtennis ideal für einfach.

Jonas: Wir haben jetzt mit Sven Albrecht gesprochen, dem Geschäftsführer der Special Olympic Games hier in Berlin. Und bei den Special Olympics ist es quasi noch einmal ein bisschen anders, sagt er, weil dort das Thema Leistung nicht so wahnsinnig im Vordergrund ist.

Sven Albrecht: Das Wettbewerbssystem des Sports ist natürlich im Grundsatz schon da drauf ausgerichtet, dass eine immer kleinere Personengruppe schlussendlich den Leistungssport ausüben kann. Und daher ist eigentlich unser Ansatz von Special Olympics von Beginn an gar nicht so stark, sich auf den Leistungssport zu konzentrieren und zu fokussieren. Wir sehen im Sport, im breitensportlichen Ansatz eine große Chance, Begegnung zwischen Menschen mit und ohne Behinderung zu fördern. Das ist unser Auftrag und daher liegt auch der Schwerpunkt auf unserer Arbeit ganz klar eher in dem breitensportlichen Ansatz, Menschen mit und ohne Behinderung im Sport zu vereinen. Im Leistungssport nimmt das natürlich mit der Zunahme, wird es immer schwieriger.

Jonas: Die Problematik der Vergleichbarkeit und trotz alledem, dass ja, man einfach eine andere Leistungsdichte hat. Es gibt ja andere Para-Sportler*innen, die einfach auch mehrere Sportarten ausüben. Hast du da das Gefühl, dass es vielleicht sogar für Menschen mit Behinderung jetzt, salopp gesagt, einfach aufgrund der ja nicht so großen Leistungsdichte und der Anzahl der Menschen mit Behinderungen die Sport machen, es vielleicht auch manchmal einfacher ist, an den Erfolg zu gelangen? Oder wäre das jetzt vereinfacht gesagt und würde Leistungen schmälern?

Valentin Baus: Ja, ich denke, das kann man auf jeden Fall nicht verallgemeinern. Ich denke, was kommt zum einen einfach auf die Sportart an. Es gibt verschiedene Sportarten, wo es schwieriger ist, wo es leichter ist, wo die Leistungsdichte höher ist. Dann kommt es natürlich auch auf die verschiedenen Wettkampfklassen an, in welcher Wettkampfklasse ich bin. Da gibt es natürlich auch sehr große Unterschiede, und ich denke mal, das müsste man im Einzelfall genauer betrachten und kann auf jeden Fall nicht pauschalisiert werden. Auf jeden Fall im Tischtennis ist es mit den ganzen Asiaten und mit den Chinesen ja nicht immer ganz so einfach, da ganz nach oben zu kommen.

Judyta: Ich würde gern von dir noch wissen, wie das bei dir in der Schule war. Du bist ja von Geburt an behindert. Wie war das? Wurdest du aufgenommen, wurde einfach gesagt, ey, wir probieren es mit dir. Oder warst du eigentlich auf der Bank? So wie ich. 

Valentin Baus: Ja, ich war eigentlich immer mittendrin, relativ beliebt in der Schule, glaube ich, hatte viele Freunde. Und ich war eigentlich immer der, der vielleicht mit am meisten Scheiße gebaut hat. Ich war der, der immer schon die Leute angestachelt hat, irgendwas zu machen. Also es war eigentlich nie so, dass ich da irgendwie außen vor war.

Judyta: Und den Rollstuhl hast du nach der Schulzeit sozusagen auch bekommen?

Valentin Baus: Ja, in der Schulzeit. Ich sag mal, 2008, da war ich 13, 14 Jahre alt, seitdem ich halt wirklich nicht dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen bin. So achte, neunte Klasse war das dann.

Judyta: Und wie war es da, also, dieser Wechsel dann? Was haben die LehrerInnen gemacht gesagt, haben sie einfach gesagt, du kannst jetzt normal mitmachen. Oder wie war das?

Valentin Baus: Ja, ich habe einfach normal mitgemacht. 

Judyta: Cool!

Valentin Baus: In der Unterstufe war es kein Problem, in der Oberstufe, war es ein bisschen schwierig, da durfte ich dann keinen Sport wählen. Weil es irgendwie wohl schwierig war, mit den Voraussetzungen, die das Land irgendwie stellt, an die Schule. Aber sonst hatte ich jetzt keine Probleme. 

Jonas: Judyta, wie war es denn bei Dir? Du hast eben schon gesagt du saßest auf der Bank.

Judyta: Ja, oder in der Klasse. Also, manchmal bin ich gar nicht mitgegangen zum Raum, zur Sporthalle. Vielleicht habe ich deswegen da so Berührungsängste jetzt damit, weil ich da nie integriert wurde. Ja, also, meine Lehrer*innen haben das nicht versucht. Also, die haben nicht gesagt komm, wir spielen jetzt mal mit dir, oder du spielst mit, irgendwelche Ballspiele. Ich könnte dir auch jetzt nicht sagen, was Völkerball ist. Ich habe das immer nur gehört, diesen Begriff. Der ist auch schon echt poetisch, aber das ist etwas anderes.Genau, also nie. Ich habe ein „NT“, ein „nicht teilgenommen“ gehabt.

Jonas: Aber Du hast auch nicht das Gefühl gehabt, okay, du willst irgendwie durch Sport deinen Körper irgendwie mehr wahrnehmen, kucken, wo sind meine persönlichen Leistungsgrenzen? Wie weit kann ich gehen? Dieses Gefühl hast du gar nicht gehabt, das irgendwie, ja, herauszufinden.

Judyta: Ich habe Geige gespielt. Es ist ja auch eine körperliche Betätigung. Und da bin ich schon so an die Grenzen gegangen, auch von der Ausdauer her, vom Handling her, von den Händen her, wie ist das als behinderte Personen, die normalerweise viel Rollstuhl und auf Krücken geht? Das war sozusagen so ein bisschen vielleicht meinen Sport, wenn du so willst, aber ja, sonst nicht wirklich. Ich hatte auch Angst vor Fitnessstudios. Also beziehungsweise, das hatten wir ja häufig in diesen Sendungen hier, dass man immer denkt, als behinderte Person, vielleicht auch fälschlicherweise, vielleicht war ich da auch voreingenommen. Dass, wenn man irgendwohin kommt, zum Beispiel in ein Fitnessstudio, dass man erst mal sagt, so, was sollen wir jetzt hier mit dir? Was möchtest du denn? Und oh, ich weiß nicht, ob ich dir was raten kann. An welches Gerät du kommst, weil, vielleicht mache ich da irgendetwas kaputt? Das heißt, diese Vorurteile hatte ich immer, und das hat mich auch davon abgehalten. Und ich habe eben nicht geglaubt, dass es da jemanden gibt, da draußen in den Fitnessstudios, der irgendwie mir auch was raten kann.

Jonas: Bis heute nicht?

Judyta: Ne!

Jonas: Also dadurch ist das Interesse gar nicht entstanden. 

Judyta: Genau!

Jonas: Und bei dir Valentin, war Sport so ein Antrieb, die eigene Leistungsgrenze kennenzulernen? Oder ist es quasi unabhängig vom Thema Behinderung entstanden? Und es war einfach quasi, dass das Interesse jetzt am Tischtennissport zum Beispiel?

Valentin Baus: Ja, für mich hat die Behinderung nie Einfluss darauf genommen, dass ich den Sport lieb. Ich liebe einfach Sport an sich und egal, wie ich ihn machen kann, ich möchte ihn machen. Und ob ich jetzt da den vorher im Stehen den ausgibt oder im Sitzen, das sind einfach dann nur die Begleiterscheinung für mich war immer der Sport oder der Tischtennis-Sport der Fokus für mich. 

Jonas: Ja, bei mir war es so quasi, da ich ja meine Behinderung im Laufe des Lebens erworben habe, war der Zugang zum Sport bei mir quasi ein anderer. Und ich finde es eher spannend, und das wäre auch nochmal so die Frage an unsere ZuhörerInnen, wie es bei euch war oder wie es bei Menschen ist, die ihre Behinderung im Laufe des Lebens erwerben. Also wie gesagt, ich habe früher Fußball gespielt, ich war im Tennisverein, ich war in der Basketball-AG von der Schule, also mir hat das mit es irgendwie Spaß gemacht. Und dann kam irgendwann das Studium, wo man dann so ein bisschen aufgehört hat damit, beziehungsweise nicht mehr den Schulsport mitgemacht hat. Und dann kam irgendwann die Behinderung und meine Frage auch an mich selbst war dann, okay, wenn ich jetzt quasi Sport machen möchte als Personen mit Behinderung, mach ich dann eher Sport, den ich schon in irgendeiner Art und Weise kenne. Als nichtbehinderter Mensch, weil ich dann quasi schon weiß, okay, ich habe gewisse, vielleicht einfach gewisse Automatismen. Also quasi ich weiß, wie ich ein Tennisschläger halte. Ich weiß, wie ich einen Ball werfe. Oder ist es quasi dann im Umkehrschluss einfach viel, ja, kriegt man einfach quasi noch mal den Spiegel vorgehalten, was man eben nicht mehr kann mit einer Sehbehinderung, dass man quasi dann sagt, ey, man hat noch die Erinnerung an früher und sagt, okay, du hast beim Tennis die Bälle getroffen, du hast beim Fußball Tore geschossen. Und wenn du es dann quasi jetzt versuchst, nachzumachen oder zu wiederholen und die gleichen Bedingungen schaffst, dass es dann eben nicht mehr funktioniert. Man bekommt quasi einfach gezeigt, ja, was man einfach nicht mehr kann. Also dieses Defizit ist irgendwie so im Vordergrund. Und das wäre quasi mal die Frage vielleicht an Zuhörer*innen, die ebenso ihre Behinderungen im Laufe des Lebens erworben haben und sportlich aktiv sind. Ob sie sich dann quasi etwas ganz anderes gesucht haben, um einfach bei null anzufangen. Oder man sagt okay, ja, ist mir völlig egal, ob ich das jetzt aufgezeigt bekomme oder ob ich merke, was ich eben nicht mehr kann. Aber ich ziehe die Sportart durch, die ich irgendwie früher schon gemocht habe. 

Judyta: Wie hast du dir denn die Frage beantwortet?

Jonas: Ich gehe immer noch oder wieder ins Fitnessstudio, so wie ich das quasi früher gemacht habe. Natürlich merkt man es in manchen Situationen, dass irgendwie Sachen nicht mehr so funktionieren. Also wenn man dann, sage ich mal, bei, ich will nicht übertreiben, bei 20 km/h  auf dem Laufband. Nein, auf jeden Fall, wenn man quasi auf dem Laufband ist und es ist schon relativ schnell, und man möchte vielleicht ein paar Stundenkilometer weniger und hat dann quasi diese Knöpfe vor sich, die alle gleich aussehen, auch sich alle gleich anfühlen, also gleich aussehen nicht, aber für mich zumindest. Und man möchte es quasi ein bisschen langsamer machen. Und man drückt und drückt und das Laufband wird schneller und schneller und schneller, weil man dann irgendwann merkt okay, du drückst auf den falschen Knopf. Ist dann unangenehm. Aber ist dann für mich eher eine Situation, wo ich sage, okay, da kann ich dann innerlich darüber lachen. Ebenso, wenn irgendwie, neulich habe ich bei einem Gerät, das quasi diese Kilos, die du dann quasi einstellen musst, 15, 20 und so weiter. Und ich habe das nach bestem Wissen und Gewissen eingestellt und racker mich dort ab und mache dann die, keine Ahnung, dreimal 20 Wiederholungen und bin vollkommen fertig danach. Und, als ich das Gerät verlasse, merke ich, dass ich irgendwie zehn Kilo zu viel aufgelegt habe. Ich schmunzle dann eher drüber. Aber es ist dann, glaube ich, noch einmal, Fitnessstudio, da habe ich noch einmal eine andere Leidenschaft. Also quasi jetzt Fußball spielen, was ich früher viel lieber gemacht habe. Da wird sich das kleinste, glaube ich, noch einmal ganz anders anfühlen. 

Judyta: Da würde der Ball dann ja Geräusche machen. 

Jonas: Genau, da muss man natürlich dann gucken, kriegt man irgendwelche anderen Hilfsmittel hin? Also würde man dann quasi Blindenfußball nehmen, was natürlich dann, ich bin ja nicht blind. Aber es ist ja wirklich eine andere Sportart. Du kannst es nicht vergleichen. Es ist eine andere Art von Spiel, nicht vergleichbar mit dem Fußball für nichtbehinderte Menschen.

Judyta: Valentin, Würdest du das sagen, auch für Tischtennis, gilt das dafür auch?

Valentin Baus: Für mich persönlich jetzt nicht. Ich bin ja jetzt vom Oberkörper her nicht eingeschränkt und habe keine Einschränkungen in den Armen. Und vor allem das Handgelenk funktioniert ganz normal bei mir, was sehr, sehr wichtig für den Tischtennissport ist. Und von daher spiele ich im Grunde immer noch so den gleichen Sport, nur halt im Sitzen. Da gibt es natürlich im Tischtennis auch noch Unterschiede, wenn man jetzt irgendwelche „Tetras“ anguckt, die jetzt den Schläger an die Hand binden müssen. Da unterscheidet sich der Sport, das Tischtennis schon ein bisschen mehr von dem Nichtbehinderten-Tischtennis. Aber bei mir ist es, glaube ich, eher einfach nur, dass ich da sitze. Es gibt auch ein ganz, ganz schönes Video mit mit Timo Boll. Wir haben ein Video zusammen gemacht mit Timo Boll und meinem Mannschaftskollegen Thomas Schmidberger. Und da hat Timo sich halt einfach mal einen Rollstuhl gesetzt und gegen uns gespielt. Und da kann man auch ganz gut sehen, dass es halt doch schon ziemlich ähnlich ist. Und wenn er sich hin setzt, dass er dann doch unbedingt nicht gegen uns gewinnt.

Judyta: Okay, aber eine Frage von Rollstuhlfahrerin zu Rollstuhlfahrer: Wie macht man das, dass man mit einer Hand fährt, mit der anderen Hand hat man den Schläger und muss ja wirklich die ganze Zeit sozusagen hin und herfahren. Beziehungsweise hast du dann gar nicht so den Radios, sondern versucht es immer, eigentlich stehenzubleiben und nur den Schläger hin und her zu bewegen. Wie machst du das genau? Man merkt, ich gucke keine Paralympics…

Valentin Baus: Natürlich kann man sich in der Geschwindigkeit, wie die Bälle jetzt kommen, nicht jedes Mal zur Seite bewegen, sondern es ist oft ein vor und zurück, ich bewege mich viel vor und zurück, das ist sehr wichtig, teilweise auch seitlich, aber das eher bei langsameren Bällen, wo ich mich dann seitlich bewege ich versuche dann auch viel mit dem Körper meinen Rollstuhl in eine Richtung zu drücken. Wenn ich mich jetzt irgendwie in den Ball reinwerfe, versuche ich halt den Rollstuhl ein bisschen mitzuziehen, dass er sich dann die gleiche Richtung bewegt wie mein Körper.

Jonas: Judyta, du scheinst gerade so interessiert. Sollen wir das mal ausprobieren? Also ich meine, Tischtennisbälle kann man leider nicht so rasselnd machen wie Fußbälle. Aber wäre das was, also ich meine: Du hast es ja gerade gehört, es scheint ja zu gehen, also das ist ja jetzt nicht so, als würdest du das nicht können können.

Judyta: Ja, ich habe mal über Badminton oder Tennis nachgedacht. Also ich habe sogar mit meinem Onkel früher in den Sommerferien gespielt, aber ich saß im Rollstuhl und hatte auch den Rollstuhl abgebremst, oder gebremst in der Stehposition, nicht so wie Valentin, dass ich so flexibel war. Und er hat mir die Federbälle zugeworfen und war halt eben beschäftigt. Ich stand da rum, und entweder ich hab getroffen oder nicht, und das war sehr anstrengend für ihn.

Jonas: Du warst quasi darauf angewiesen, dass er zumindest in den Radius … Also du hast eher quasi ihn trainiert, dass er positionsgetreu trifft? 

Judyta: Genau!

Jonas: Ja, vielleicht kriegen wir es hin, irgendwann mal ein Probetraining zu machen in dem Sinne. Das, was mich jetzt, wo wir quasi über über Profisport gesprochen haben, und auch so ein bisschen über die Schulanfangszeit. Es kann ja, wenn über Sport und Inklusion sprechen, kann, ja eben dieser Breitensport eben vielleicht die Möglichkeit sein, wenn es quasi nicht so den Leistungsdruck oder quasi nicht, dass man in die Situation reinkommt, irgendwelche Punktspiele zu haben oder sich irgendwie messen zu lassen oder sich zu messen mit anderen, kann das ja quasi eine Option sein, irgendwie für Begegnung zu sorgen und beziehungsweise, dass dort Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam Sport machen. Wir haben mit Christoph Pisarz gesprochen, der hier in Berlin beim Pfeffersport arbeitet, das ist ein inklusiver Sportverein. Ich weiß nicht, könnte man sagen, dass das so eine Art Leuchtturmprojekt ist? Also es gibt inklusive Sportvereine, aber das ist schon einer, der sich großer Beliebtheit erfreut. Und da war quasi Thema, ob Kinder, Jugendliche ohne Behinderung denn überhaupt das Interesse haben oder quasi die Möglichkeit bekommen, inklusiv mit Kindern mit Behinderung Sport zu machen. Und er hat uns erzählt, dass es häufig da gewisse Vorurteile gibt.

Christoph Pisarz: Aber in so ganz vorurteilsbehafteten Sportarten wie zum Beispiel Fußball sind dann auch speziell von den Eltern dann Fragen kommen: Na, warum soll denn mein Kind jetzt mit irgendeinem anderen Kind, das eine Einschränkung hat, Sport treiben, dann wird ja mein Kind nicht gefördert. Natürlich müssen wir uns auch mit solchen Aussagen dann auseinandersetzen und versuchen auch da zu erklären, dass natürlich die große, breite Masse und wir sind nun mal ein Sportverein, der im Breitensportbereich tätig ist, und wir schätzen es auch nicht, dass leistungsorientierte Vereine irgendwie nur die oberen fünf Prozent mitnehmen und die anderen fallen hinten runter. Bei uns soll das gesamte, die gesamte Gesellschaft abgebildet sein und das versuchen wir dann natürlich auch darzustellen und zu argumentieren. Und wir sehen es ja auch in den jeweiligen Kursen, die dann schon sich entsprechend geöffnet haben. Und wo dann auch mit einem bisschen, sagen wir mal Fingerspitzengefühl, dann unsere Meinung auch einfach angewendet wird das alle Kinder oder alle teilnehmenden Personen, egal welchen Alters jetzt, davon auch mit profitieren und ganz schnell Vorurteile abgebaut werden.

Jonas: Aber gleichzeitig sagt er auch, dass es eben nicht nur unbedingt an den Eltern liegt, die dann sagen, okay, ich schicke mein Kind in den Sportverein, damit es quasi gefördert wird, und dieses Vorurteil haben, dass, wenn es inklusiv ist, dass dort wenig Leistungen, wenig Förderung ist, sondern es ist einfach auch grundsätzlich so ein bisschen an dem gesellschaftlichen Konstrukt, an dem gesellschaftlichen System liegt.

Christoph Pisarz: Dann sind wir mal ehrlich, sämtliche Kinder, die von Geburt an im Rollstuhl sitzen, sie werden ja selten mit den Sätzen empfangen, du wirst alles in deinem Leben schaffen. In den meisten Fällen ist der Satz: Oh, ihr Kind wird das und das nicht können. Es wird im schlimmsten Fall so und so aussehen, und deswegen würde ich mich auf das und das vorbereiten. Das hören Eltern, und schon beginnt die erste Käseglocke und das geht ja in vielen Bereichen so weiter. Und hinzu kommt dann auch noch, muss ich sagen, die Entwicklung der aktuellen Inklusionsthematik, dass einfach Kinder, die im Rollstuhl beispielsweise sitzen, die einzigen in ihrer Klasse immer sind, im Rollstuhl. Das sehe ich kritisch aus dem einfachen Grund wir hatten vor ein paar Monaten bei uns im Sportverein ein Kind, was von seiner Großmutter zu uns in den Kurs gebracht wurde. Und das Kind war eigentlich komplett überrascht davon, dass es plötzlich nicht mehr das einzige war. Und es wurde uns wirklich der Satz gesagt, das Kind dachte, es wäre das einzige Kind im Rollstuhl in Berlin, egal wo es war, es war mal eine, und das sehe ich ganz kritisch bezüglich der Inklusions-Ideen also. Man sollte schon dafür sorgen, dass es einen guten Schnitt sowohl in den Schulen als auch in den Kitas oder in anderen sozialen Bereichen gibt, das jeder versteht, man ist nicht alleine. Und wenn man das schafft, dann kann man beispielsweise auch im Sportunterricht der Schulen einen gesunden Wettkampf erzeugen. Es geht ja nicht mal ums Gewinnen, finde ich. Aber es geht darum, vorwärts kommen zu wollen. Und wenn es einfach nur darum geht, die eigene Bordsteinkante vor der Haustür überwinden zu können, um dann vielleicht später im eigenen Leben autarker zu sein, das sehen die Kinder am Anfang noch nicht, wenn die Einzelfallhelfenden immer sie schieben oder die Eltern sie immer schieben. Dann würde es soweit kommen, dass erstens die Sportvereine eben nicht diese Tendenz erleben, dass Menschen mit einer Einschränkung einfach schneller scheinbar aufgeben. Sie würden aber dann auch erleben, dass Menschen, die nichtbehindert sind, eben es als selbstverständlich ansehen, dass vielleicht Menschen in einem Rollstuhl ihre Konkurrenz sind.

Jonas: Ist so ein bisschen deckungsgleich zu dem, was ihr erzählt habt, also mit dem erste Person sein. Also Judyta, du quasi in deiner Schule die einzige Person, die im Rollstuhl sitzt, wo dann kein Angebot für dich geschaffen wurde, bei dir Valentin ja quasi auch so nach dem Motto, da war es vielleicht dann besser gelöst, aber auch eben die erste und die einzige Person, dann in dem Klassenverbund zu sein. Das scheint ja irgendwie schwierig zu sein, da die Grundlage zu schaffen für einen inklusiven Sport.

Judyta: Ja, ich finde es oft total schwierig von den Eltern von nichtbehinderten Kindern. Da gibt es jetzt zwei Lesarten oder zwei Denkweisen. Entweder man sagt dann, oh, da sind auch behinderte Kinder. Das heißt mein nichtbehindertes Kind wird nicht gefördert, weil die behinderten Kinder werden mein Kind schön aufhalten oder sie sagen, oh, das ist ja inspirierend, dass da auch ein behindertes Kind ist, davon kann ja mein Kind, mein nichtbehindertes total sozial profitieren und sich da ausleben und lernen irgendwie aufeinander Acht zu geben. Also, ich finde, behinderte Kinder werden da schon ganz schön instrumentalisiert in die eine oder die andere Richtung. Und ich würde mir wünschen, dass das dann irgendwann mal so ein bisschen normaler ist und, dass man einfach miteinander da den Sport macht und sich nicht über Inspiration oder über irgendeinen Nutzen Gedanken macht.

Jonas: Valentin merkst du auch, desto quasi fernab von deiner sportlichen Tätigkeit, dann ja auch trotz alledem ja irgendwie Botschafter bist, also wie gesagt, wir haben eben das Interview angesprochen, wo du dann quasi auch noch einmal so ein bisschen, ja, ich will nicht sagen, Journalist*innen auf den Zahn fühlst oder quasi so eine Art Mini-Schulung sagst,  indem du sagst, du leidest nicht an deiner Behinderung, beziehungsweise, dass ja auch dann irgendwie, Menschen mit Behinderungen, Sportler*innen mit Behinderung ja irgendwie auch Aktivist*innen sein müssen. Und irgendwie die Fahne hochhalten müssen.

Valentin Baus: Für mich halt ganz klar im Vordergrund, mein Sport. In erster Linie bin ich Sportler. Wenn ich durch mein Auftreten oder dadurch, dass ich auch die Menschen sensibilisieren kann, dafür, was es heißt, wenn jemand eine Behinderung hat oder jetzt vielleicht im Rollstuhl sitzt, dann freut mich das natürlich oder dass er auch andere inspirieren kann und das Beste aus sich rauszuholen. Also für mich fängt das halt auch alles immer bei einem selber an. Ich muss mich erst mal selber akzeptieren, damit die anderen Menschen mich akzeptieren können. Wenn ich zum Beispiel immer nur sage, ich kann dies nicht, ich kann das nicht und versuche es nicht, dann ist es schwierig. Man muss immer das alles versuchen, was man kann, das Beste aus sich rauszuholen und halt auch so wenig, also so wenig Hilfe in Anspruch nehmen, wie man eben kann, dass man halt das, was man allein machen kann, auch alleine macht und sich, weiß nicht, bis man eben 20 ist von seinen Eltern irgendwie rum schieben kann, obwohl es irgendwie auch möglich wäre, jetzt das selber zu machen. Da sind auch die Leute, die jetzt behindert auch ein bisschen in der Pflicht, sich nicht nur auf andere zu verlassen, sondern auch selber dann erst mal an ihre Grenzen zu gehen. Ich denk mal, dass das auch Akzeptanz schaffen kann, wenn man selber mit sich einfach im Reinen ist.

Judyta: Aber ich glaube, da hilft der auch der Sport, oder? Diese Gedanken eben auch zu haben, dich immer wieder an die Grenze zu treiben

Valentin Baus: Ja, ich glaube, die größte Hilfe für mich, ich habe das Glück, dass ich einen Vater habe, der auch Glasknochen hat und auch im Rollstuhl sitzt und mitten im Leben war, er hat alles alleine gemacht. Und ich habe es halt von klein auf gesehen, dass man auch wenn man eine Behinderung hat, Teil einer Gesellschaft sein kann. Und halt nicht unbedingt irgendwie Mensch zweiter Klasse, ich glaube, da kommt auch bei vielen, sag ich mal jetzt, im späteren Leben oder halt, dass sie von Anfang an zu lernen, auch ein bisschen der Gedanke auf, dass sie halt irgendwie nicht so sind wie die anderen. Von Anfang an wurde mir das beigebracht, dass man halt genauso ist wie jeder andere, halt nur mit einer kleinen Einschränkung. Und dass man trotzdem das Beste aus sich machen kann und gut im Leben klarkommen kann und glückliches Leben führen kann. Das hat mir, glaube ich, sehr, sehr viel geholfen.

Jonas: Aber Judyta, muss denn jeder Mensch mit Behinderung … 

Judyta: Du willst heute irgendwie ein Commitment von mir, dass ich morgen ins Fitnesstudio gehe, … 

Jonas: Ja, warum nicht? Ich meine, ist das nicht auch unser Auftrag? 

Judyta: … das war dein Ziel.

Jonas: Ich meine, wir reden von „Die Neue Norm“. Und die neue Norm kann eben auch sein, dass wir seit fast 30 Folgen jetzt versuchen, dich irgendwie sportlich irgendwo anzubinden.

Judyta: OK, in Folge 60, notier dir das, werde ich etwas berichten zum Sport, den ich bis dahin gemacht habe.

Jonas: Okay, ich nehme das so auf. Ich wollte dir eigentlich gerade die Frage stellen, ob Menschen mit Behinderungen nicht auch faul sein dürfen, also quasi müssen. Müssen Menschen mit Behinderung überhaupt sportlich aktiv sein? Oder kann man nicht einfach auch sagen es gibt ja genauso wie bei nichtbehinderten Menschen eben auch Leute, die einfach sagen, nö interessiert mich nicht.

Judyta: Genau. Es interessiert mich nicht und das hat nichts mit Faulheit zu tun, glaube ich. Also, ich merke das schon, wenn Valentin erzählt das das viel auch mit dem Mindset macht, also mit den Gedanken, mit der Disziplin, ich glaube das schadet niemandem, da die Ziele zu haben und zu verfolgen. Ich glaube, da kann der Sport eben auch behilflich sein. Aber es ist doch ein ganz normaler Charakterzug, ob du eben ehrgeizig bist oder nicht. Und ob du dir Ziele vornimmst oder nicht. Also das hat nicht unbedingt was mit Sport zu tun, würde ich sagen.

Valentin Baus: Dass Sport einem halt auch einfach ein besseres Gefühl für den Körper geben kann. Und ihm dadurch halt auch in seinem Alltag helfen kann und man durch den Sport eben Sachen lernt die man jetzt vorher vielleicht nicht konnte. Oder da ich auch ein bisschen fitter wird, um seine sein Defizit irgendwie ein bisschen wegzumachen, wenn man dann auf das, was man kann, dass man das wieder so ein bisschen weiter ausprägt, ich glaube, dass es auch ein bisschen hilfreich sein kann, nicht nur wegen des Siegeswillens, oder des Ehrgeizes, den Sport zu betreiben. 

Judyta: Ja, das kann ich mir auch vorstellen. Und das klingt auch gut, so ein bisschen mehr bei sich zu sein, ein bisschen mehr auch vielleicht Selbstvertrauen, körperlich. Also schaffe ich diesen Kantstein jetzt gerade oder nicht? Wenn ich trainiert bin, kann ich das besser beurteilen?

Valentin Baus: Natürlich, wenn man jetzt im Rollstuhl sitzt und viel Sport treibt und sich, sag ich mal, viel bewegt mit dem Rollstuhl, dann kriegt man vielleicht doch ein anderes Gefühl für den Rollstuhl und weiß irgendwie, was man wie schaffen kann und was nicht, weiß man genau. Traut sich vielleicht auch jetzt die höhere Kante doch zu, die höhere Kante aus der Bahn raus. Ich glaube, dass das einem schon ein bisschen weiterhelfen kann auch im Alltag. 

Judyta: Das stimmt. Da sagst Du was.

Jonas: Ja. Aber im Endeffekt ist es ja auch so, dass wie er auch gerade gesagt hat, dass der Spaß ja auch so ein bisschen im Vordergrund stehen sollte, beziehungsweise, dass man einfach auch Lust am Sport und an dem Sich Betätigen haben sollte. Und wir haben vorab auch noch einmal mit Maximilian Kröber gesprochen, auch seines Zeichens Tischtennisspieler. Und er hat noch einmal auch gezeigt, auch im Rahmen dieser Special Olympics National Games, die in Berlin stattfinden. Das natürlich es einfach ein anderes Mindset bezüglich der Wettkämpfe gibt. Dass einfach, der Druck, zum Beispiel bei den Olympischen Spielen, viel, viel größer ist. Und dass es bei ihm oder bei seinem Sport, den er betreibt, auch so ein bisschen der Spaß im Vordergrund steht.

Maximilian Kröber: Den größten Unterschied zwischen den drei Bereichen zwischen Olympia, Paralympics und Special-Olympics ist, die Leistungskurve, beziehungsweise den Leistungsdruck, wenn du im Olympia Bereich, sage ich jetzt mal, ich mache ein Turnier mit, zum Beispiel ein Aufstiegsturnier, dann weiß ich, ich komme in die Halle, und ich weiß, ich muss jetzt Leistungen zeigen, sonst sehe ich scheiße aus. Oder machen Sie sich lustig, dass ich nicht gut spiele, halt Leistungsdruck ist höher im olympischen Bereich als zum Beispiel jetzt im Paralympics Bereich. Da ist ein bisschen mehr Spaß im Vordergrund, sprich alle haben irgendeine Beeinträchtigung und machen das Beste draus, alle haben Spaß bei. Wenn da jetzt einer den Ball nicht trifft oder mal nicht einen guten Punkt macht, dann ist das egal. Hauptsache, er macht das, was er mag und das, was er liebt. Und im Gegensatz zu Special Olympics ist der Spaß an der vordersten Stelle, sprich auf Platz eins. Leistung kommt dann zum Schluss, sprich, umso mehr Spaß du hast, umso besser wird’s.

Jonas: Am 19. Juni beginnen, die Special Olympics National Games hier in Berlin und im nächsten Jahr dann die Special Olympics World Games in Berlin. Ein wirkliches Groß-Event. Valentin wo wird man dich in der nächsten Zeit sehen? Welche Turniere stehen bei dir an?

Valentin Baus: Ja, ich hatte jetzt in den vergangenen zwei Wochen erst mal zwei Turniere, ich war jetzt in Paris und jetzt in Slowenien letzte Woche. Das wars jetzt für mich, was so internationale Turniere angeht. Jetzt stehn halt ein paar Lehrgänge noch an, auch international. Mal kucken, wo wir da genau hinfliegen. Und dann wird sich halt noch zeigen, ob ich noch ein paar Turniere vor der Weltmeisterschaft spiele, die dann im November stattfindet in Granada, das ist so das große Ziel für das Jahr. Und davor sind schon noch ein, zwei Turniere angesetzt, aber da werde ich mich dann jetzt den nächsten Wochen entscheiden, wo es genau für mich hingeht.

Jonas: Dann wünschen wir dir dabei viel Erfolg. Vielen Dank, dass du heute bei uns bei „Die Neue Norm“, dem Podcast, mit dabei warst und ein bisschen Einblick geben konntest, in deine sportliche Karriere und wie Inklusion auch im Sport funktionieren kann.

Judyta: Danke Dir!

Valentin Baus: Danke Euch!

Jonas: Und wir hoffen, dass Judyta dann bis zur Folge 60, ich habe das extra jetzt hier aufgeschrieben, dann ein Erlebnis hat aber jetzt nicht so: ich wollte hin, aber es waren drei Stufen vor dem Fitnessstudio. 

Judyta: Also wenn das so ist, dann kann ich ja wohl auch nichts dafür.

Jonas: So funktioniert es nicht. Wie funktioniert bei euch Sport und Inklusion? Was sind da eure Erfahrungen? Und würdet ihr, wenn ihr eine Behinderung im Laufe des Lebens erworben habt, eine komplett neue Sportart wählen? Oder bleibt er bei dem, was er früher schon einmal ausgeübt habt? Alle wichtigen Hinweise und Artikel zu dieser Podcast-Folge findet Ihr wie immer auf www.dieneuenorm.de und wir freuen uns dann, wenn ihr beim nächsten Mal auch wieder mit dabei seid. Sportliche Grüße und bis bald, Tschüss!

Judyta: Tschüss!

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